Schwerpunktthemen

Sinnhaftigkeit tragender Werte

«Tragende Werte» geben Orientierung in Situationen, in denen wir Stellung beziehen müssen. Sie können in einer komplexen Welt hilfreich sein, um bei alltäglichen Herausforderungen individuelle Lösungen zu finden. Sind sich Eltern, Erziehende, Pägagoginnen und Pädagogen bewusst, welche Werte tragend zu einem psychischen und sozialen Wohlergehen beisteuern, stärkt dies ihre Selbstwirksamkeit.
© Roberto Giacomin
Antonia Giacomin
Lehrende Transaktionsanalytikerin PTSTA-E
Eltern- und Erwachsenenbildnerin, eidg. FA
a.giacomin@ebi-zuerich.ch
Stellen Sie sich vor es ist Samstagmorgen und ich starte mit dem Kurs «Elterncoaching – Erziehungskompetenzen erweitern». Ich schaue in die Runde und nehme die Teilnehmenden wahr. Berta wirkt abwesend. Als sie sich zu Wort meldet, berichtet sie: «Ich bin in Gedanken noch gar nicht hier. Bevor ich Zuhause losging, gab es wieder einen Konflikt mit meiner 9-jährigen Tochter, die bei der Auswahl ihrer Kleider so wählerisch ist und nie pünktlich an den Frühstückstisch kommt.»
Nehmen wir dieses Beispiel, um zu erörtern, was es für Berta schwierig machen könnte, in dieser Situation ihre Position zu finden und wie eine bewusste Wertehaltung ihr dabei als Orientierung dienen kann.
Wertezerfall versus Wertevielfallt
Noch vor einem halben Jahrhundert gab es ein definiertes gesellschaftliches Wertefundament, das je nach Kultur unterschiedlich ausgeprägt war. Neben Politikern und Politikerinnen spielten auch religiöse Akteure eine grosse Rolle. Im Zuge der Anti-Autoritäts-Welle der 60er/70er Jahre wurden viele Werte in Frage gestellt und über Bord geworfen. Vieles wurde möglich, was vorher kaum vorstellbar war. Die traditionelle Kernfamilie mit ihrer starren Rollenaufteilung ist überholt worden. Neue Familienformen wie Patchwork- oder Ein-Eltern-Familien sind heute weitgehend akzeptiert. Zudem führt die hohe Mobilität dazu, dass zunehmend interkulturelle Familien gegründet werden. Diese neue Vielfalt bringt gleichermassen Chancen und Herausforderungen. Einerseits besteht die Freiheit Werte und Regeln innerhalb der Familie weitgehend selbst zu definieren. Andererseits bringt genau diese Freiheit viele Unsicherheiten und ein grosses Konfliktpotenzial mit sich. Mit einem bewussten Umgang in solchen Situationen, z.B. mithilfe der TA Grundhaltung und der Selbstreflexion anhand von TA Modellen können selbstverantwortliche Handlungsoptionen erarbeitet werden.
Zurück zum Beispiel von Berta: Wenn früher klar war, dass die Tochter anzieht, was die Mutter vorgibt und rechtzeitig am Frühstückstisch erscheint, sieht sich Berta heute in einem Dilemma. Auf der einen Seite will sie die Selbständigkeit der Tochter unterstützen. Die Tochter soll selbst entscheiden, was sie anziehen will und sich in ihrem Tempo für das Frühstück bereitmachen. Auf der anderen Seite hat Berta ein grosses Bedürfnis, dass alle zur vereinbarten Zeit am Frühstückstisch erscheinen, in der Hoffnung, dass genügend Zeit für ein Frühstück in harmonischer Atmosphäre bleibt. Ihr Ziel, die Tochter in ihrer Selbständigkeit zu fördern, ist gut, ihr Bedürfnis nach einem gemeinsamen Start und der friedlichen Familienzeit am Tisch ist legitim, das Ergebnis ist jedoch für beide frustrierend.
Alle wollen nur das Beste
Was aber ist das Beste? Und für wen? Was ist richtig oder falsch? Was ist wichtig und sinnvoll?
Das sind keine einfachen Fragen. Fragen, die Vater und Mutter oft gegenteilig beantworten. Sie schwanken zwischen «ja» und «nein», zwischen gewähren lassen und verbieten. Sie positionieren sich, werten die Idee des andern ab oder geben «um des Friedens willen» nach.
Die Verunsicherung der Eltern führt zu unklaren Aussagen, inkonsequentem Handeln und wenn Machtkämpfe ausgetragen werden, geraten Kinder zwischen die Fronten. Solches Erziehungsverhalten gibt weder Sicherheit noch Halt. Die Folge davon ist, dass Kinder orientierungslos und emotional überfordert sind und – infolge dessen – aus einem negativ rebellischen Kind-Ich Modus die Eltern provozieren oder sich selbst in einer Überanpassung zurücknehmen. Bei den Eltern entstehen Ärger, Frustration, Resignation oder Hilflosigkeit. Auch Berta fragt sich «Was läuft bei uns schief?», «Wie schaffe ich es, die Tochter stressfrei an den Frühstückstisch zu bekommen, ohne sie in ihrer Entwicklung einzuschränken?» Nach einem systemisch-konstruktivistischem Ansatz ist die Frage der Mutter «Wie kann ich die Tochter an den Tisch bringen» schon problematisch und führt nicht zu einem befriedigenden Ergebnis. Die Mutter ist ein Teil des Systems. Weiterführende Fragen lauten: Welche Dynamik läuft zwischen Mutter und Tochter ab? Ist ein psychologisches Spiel im Gange? Welche Rolle besetzt die Mutter dabei? Was ist ihr Köder oder ihre Schwachstelle? Wird die Dynamik von der Mutter verstanden und ist sie sich ihrem Anteil bewusst, hat sie Optionen aus dem Spiel auszusteigen oder erst gar nicht mitzuspielen. Dies bereitet den Boden vor, um die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Tochter zu fördern.
Viele Eltern und Erziehende suchen für ihre Alltagssituationen Erziehungsrezepte. Sie sind überzeugt, dass das Leben mit den Kindern und Jugendlichen «gut» funktioniert, wenn sie die richtige Methode gefunden haben und sie diese richtig anwenden. Methoden funktionieren, solange sich der andere, in diesem Fall das Kind, zu einem Objekt reduzieren lässt. Wenn die Methode über die Beziehung zum Kind gestellt wird, fühlt sich das Kind nicht wirklich gesehen und entwickelt weniger Selbstwertgefühl. Statt sich auf Methoden zu fixieren, rät der namhafte Familientherapeut Jesper Juul Erziehenden, eine eigene Autorität aufzubauen, die auf festen Werten basiert. Nach Juul sind «Werte Gedanken und Ideen, denen wir grosse Bedeutung beimessen und die unsere täglichen Handlungen und Reflexionen bestimmen» (Juul, 2016, S. 17).
Beziehung und Erziehung sind stetige Prozesse. Die Werte können uns in diesen Prozessen hilfreiche «Wegweiser» sein, an denen wir unser Denken, Fühlen und Handeln ausrichten. Dabei liegt der Fokus stärker auf der Qualität der Beziehung und der Haltung zu einem auftretenden Problem, als auf dem konkreten Ziel. Gleichwürdigkeit, Authentizität, Integrität und Verantwortung sind erfolgversprechende Werte, die zur Qualität der Beziehung beitragen (vgl. Juul 2016, S. 23f).
Gleichwürdigkeit bzw. die ok-ok-Haltung
Gleiche Würde bedeutet «gleicher Wert als Mensch» und beinhaltet das Recht auf Respekt aller Beteiligten. Sie beruht auf dem existenziellen Bedürfnis aller, gesehen, gehört und als Individuum ernst genommen zu werden. In einer gleichwürdigen Beziehung im Sinne einer ok-ok-Haltung, werden die Wünsche, Bedürfnisse und Anschauungen gleich ernst genommen. Gleichwürdigkeit als fundamentaler Wert ist damit eine echte Alternative, sowohl zum patriarchalen Familienmodell mit seinen klaren Hierarchien, als auch zur demokratischen Einstellung, bei der es um die gerechte Machtverteilung geht. Wird das Handeln nach dem Prinzip der Gleichwürdigkeit ausgerichtet, geht es nicht darum, ob Macht ausgeübt wird, sondern wie Macht ausgeübt wird.
Nach welchem Prinzip richtet sich Berta? Auf diese Frage bekam ich folgende Antwort: «Ich will der Tochter die Freiheit bei der Auswahl der Kleider lassen. Ich will ihr die Zeit lassen, die sie am Morgen braucht und mir ist es wichtig, dass wir pünktlich um 7 Uhr alle zusammen in Ruhe frühstücken können.» Im Gespräch mit ihr kristallisierte sich heraus, dass dieses Vorhaben sehr selbstbezogen war. Eine Selbstbezogenheit, die von ihrem Antreiber-Verhalten «sei perfekt!» gesteuert wurde. Aufgrund ihrer Vorstellungen war es gut, wenn die Tochter die Kleider selbst auswählt, ohne zu trödeln sich selbständig anzieht und pünktlich am Tisch erscheint. Bei diesem Vorgehen wurden weder die Bedürfnisse noch die Gefühle der Tochter wahr- und ernstgenommen. Gleichwürdigkeit würde in diese Situation heissen, die Bedürfnisse alle Beteiligten wahr- und ernst zu nehmen. In der Rolle als Mutter bleibt zu klären, ob die Tochter bei der Auswahl der Kleider und beim Erlernen von Pünktlichkeit eine unterstützende Anleitung braucht.
Integrität
Historisch gesehen wurde dem Leben in der Gruppe lange ein hohes Mass an Bedeutung geschenkt. Die soziale Einordnung war ein zentraler Wert. Nicht selten wurde eine Unterordnung und Überanpassung durch die Anwendung von psychischer oder physischer Gewalt eingefordert. Eine Reaktion darauf war die 68er Bewegung des letzten Jahrhunderts. Werte wie «Freiheit» und «Selbstbestimmung» wurden zum neuen Ideal erkoren. Das Augenmerk wurde fast ausschliesslich auf das Individuum gerichtet. Durch den einseitigen Fokus auf das Individuum wurde jedoch das Einüben vom gemeinschaftlichen Zusammenleben vernachlässigt. Disziplinarprobleme in der Schule häuften sich und Sozialarbeitende beklagen sich bis heute über mangelnde Empathie bei Kindern und Jugendlichen. In der Zwischenzeit ist anerkannt, dass die Art und Weise wie die Begegnung gestaltet wird, über die Beziehungsqualität und das Wohlergehen der Beteiligten entscheidet. Sowohl die Familie als Gruppe, als auch das Individuum in seiner Einzigartigkeit, hat seine Berechtigung und seine Bedeutsamkeit. Das Individuum prägt die Gruppe mit, die Erfahrungen mit der Gruppe prägt wiederum das Individuum mit. Diese gegenseitige Wechselwirkung hat auch Eric Berne beschäftigt und hat ihn veranlasst, seine Theorien als «Transaktionsanalyse» zu benennen und sich in diversen Konzepten diesem interaktionalen Geschehen zu widmen.
Integrität im Umgang mit Kindern und Jugendlichen bedeutet auf Ganzheit und Unversehrtheit, d.h. die psychischen und physischen Grenzen zu achten, sowie die existenziellen Bedürfnisse aller Beteiligten zu respektieren. Es ist wichtig zwischen elementaren Bedürfnissen und Bedürfnissen, die aus der zufälligen Lust, fixen Ideen oder einer verfestigten Meinung entstehen, zu unterscheiden. Wenn die Tochter am Morgen viel Zeit für die Kleiderauswahl und das Anziehen in Anspruch nehmen will und die Mutter von der Tochter Pünktlichkeit einfordert, ist das keine Integritätsverletzung. Werden alle Bedürfnisse als gleichwertig akzeptiert und die Gefühle, die durch das Nichterfüllen des Bedürfnisses entstehen, angenommen, wird der Selbstwert nicht in Frage gestellt.
Erziehungslogik entsteht aus der inneren Überzeugung der Erziehenden. Wenn Berta ihr Geliebtwerden von ihrem Antreiberverhalten «sei perfekt» abhängig macht, deutet sie ein Nichteinhalten der Verabredung der Tochter als persönliches Versagen. Sie sucht die Schuld bei sich, wertet sich als unfähige Mutter ab, oder sie gibt ihrem Ärger gegen aussen einen Ausdruck indem sie die Tochter beschimpft und abwertet.
Jede Form von Abwertung, Missbrauch oder Gewalt ist eine Beziehungsbelastung und beeinflusst die Skriptentwicklung beim Kind. Je nach Häufigkeit, Intensität und Disposition des Kindes führen die Folgen zu Stress, Ängsten, Lernschwierigkeiten, einem gestörten Selbstbild oder zu psychischen Problemen. Es ist eine Trübung aus dem Eltern-Ich, wenn Erwachsene Kinder kränken, mit der unreflektierten Überzeugung, dass schimpfen, laut schreien und strafen nötig sei, damit die Kinder ihnen überhaupt zuhören und letztlich gehorchen.
Erik Sigsgaard, ein dänischer Pädagoge und Forscher, überraschte Lehrpersonen und Erziehende mit den Ergebnissen seiner Untersuchung von Kindergartenkindern. Ein Grossteil dieser Kinder war der Meinung, die meiste Zeit ausgeschimpft zu werden, während die Erwachsenen dies ganz anders empfanden. Offensichtlich discounten Erwachsene die Kinder, ohne sich dessen bewusst zu sein. Solche Studien leisten einen wichtigen Anstoss zur Selbstreflexion in einer pädagogischen Aus- oder Weiterbildung. Eine Option zum Ausschimpfen ist das Erteilen eines authentischen Feedbacks und das wohlwollende, unterstützende Anleiten, wenn es darum geht, dass Kinder sich Kompetenzen aneignen, um Probleme effektiv lösen zu können.
Authentizität
Sich authentisch auszudrücken, d.h. eine klare, offene Kommunikation, ermöglicht einen unmittelbaren, warmherzigen Kontakt, der zu einer hohen Beziehungsqualität beiträgt. Diese ermöglicht wiederum den Aufbau und die Pflege einer persönlichen Autorität.
Beim Bewältigen der täglichen Herausforderungen kommt der Authentizität ein besonderer Stellenwert zu. Es braucht Mut und den Entscheid zu den eigenen Stärken und Schwächen zu stehen. Es braucht Mut und einen Entscheid, anstelle von Vorwürfen und Rechtfertigungen die Verantwortung für die eigenen Gefühle und das eigene Tun, respektive Nicht-Tun, zu übernehmen. Es ermöglicht im Sinne der TA die Beziehung spielfrei zu gestalten, Nähe zuzulassen und Probleme effektiv zu lösen.
Doch welches Verhalten ist authentisch und von bezogener Autonomie geprägt? Und welches Verhalten ist skriptbedingt entwicklungs- oder wachstumshemmend?
In Bertas Wertvorstellung beginnt ein guter Tag mit einem gemeinsamen, harmonischen Frühstück. Erscheint die Tochter nicht am Frühstückstisch und reagiert auch auf das mehrfache Rufen nicht, fühlt sich Berta ohnmächtig. Sie sieht ihre Wertvorstellung in Frage gestellt und ärgert sich über das Verhalten der Tochter. Spielt sich die Szene immer wieder nach demselben Muster ab, ist dies ein Indiz dafür, dass sich die Mutter unbewusst auf ein Machtspiel eingelassen hat. Mit Authentizität hat dies wenig zu tun. Authentisch wäre, wenn Berta ihrer Tochter offen und klar mitteilt, dass ihr der Start mit dem gemeinsamen Frühstück wichtig ist. Als Erzieherin kann sie mit der Tochter klären, ob und wenn ja, welche unterstützenden Massnahmen hilfreich sind, um das Ziel der Pünktlichkeit zu erreichen.
Die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Skript unterstützt das Entfalten der Fähigkeit, situativ und adäquat aus einem produktiven Ich-Zustand zu reagieren, um Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung unterstützen und fördern zu können.
Verantwortung
Die Veränderung in der Rollenaufteilung zwischen Vater und Mutter, die Patchworkfamilie und das Leben verschiedener Kulturen innerhalb einer Familie haben eine neue soziale Dimension in den Mittelpunkt gerückt. Die Verteilung der Verantwortung für das Funktionieren der Familie und die Fürsorge für die Kinder wird idealerweise in jeder Familie individuell verhandelt und geregelt. Die Balance zwischen dem Geben notwendiger Fürsorge und Freiräume, sollte dabei altersadäquat berücksichtigt werden. Oft ist es eine Gratwanderung zwischen notwendiger Machtausübung und Machtmissbrauch. Es bedarf einem sorgfältigen Abwägen und entscheiden, welche Verantwortung die Erziehenden den Kindern übergeben und wo es Sinn macht, die Verantwortung selbst zu übernehmen.
So auch bei Berta: Sie bestimmt, dass das Frühstück gemeinsam am Tisch eingenommen wird. Das Zeitfenster vom Aufstehen bis zum Beginn des Frühstückes ist allerdings verhandelbar. Mit einem bewussten Entscheid und einem klaren Vertrag übernimmt Berta die Verantwortung für die Situation, was ihr Würde und Glaubwürdigkeit verleiht.
Im Unterschied zur sozialen Verantwortung darf die persönliche Verantwortung nicht delegiert oder unterlassen werden. Persönliche Bedürfnisse einbringen und die eigenen Grenzen und Werte klar benennen, das muss jede und jeder für sich selbst tun. In einer ok-ok-Haltung für sich einstehen und für sich selbst zu sorgen, beugen einer Ausbeutung vor und unterstützen die Selbstachtung. Selbstachtung und -wirksamkeit erhöhen die Zufriedenheit und gehören immer wieder gestrokt zu werden.
Eltern und Erziehende haben aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung viel an Freiheit gewonnen und im Gegenzug ist ihre Verantwortung für die Gestaltung des Zusammenlebens gewachsen. Die Transaktionsanalyse bietet gut verständliche Konzepte um sich selbst und andere besser zu verstehen. Mit einer grösseren Bewusstheit können Optionen in Richtung bezogener Autonomie erarbeitet werden. Dies ist die beste Voraussetzung, um eine entwicklungsfördernde Erziehungsverantwortung zu übernehmen, die Skiptbildung beim Kind positiv zu beeinflussen und wo angezeigt, antithetisch zu handeln.
Literatur und Empfehlungen:
Babcock, Dorothy & Keepers, Terry (2001). Miteinander wachsen. Transaktionsanalyse für Eltern und Erzieher. Güthersloh: Gütersloher Verlagshaus.
Juul, Jesper (2016). Was Familien trägt: Werte in Erziehung und Partnerschaft. Ein Orientierungsbuch. Weinheim: Beltz.
Juul, Jesper (2018). Nein aus Liebe. Klare Eltern - Starke Kinder. Weinheim: Beltz.
Rolf Arnold (2007). Ich lerne, also bin ich. Eine systemische-konstruktivistische Didaktik. Carl-Auer Verlag: Heidelberg
Schlegel, Leonhard (2011, 5. völlig überarbeitete Auflage. Die Transaktionale Analyse. Zürich: Deutschschweizer Gesellschaft für Transaktionsanalyse (DSGTA).
Sigsgaard, Erik (2012). Schimpfen? Es geht auch anders! Wie Sie einen liebevollen und wertschätzenden Umgang mit Ihren Kindern entwickeln. Dörfles: Verlag Renate Götz.

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Wenn es schwierig wird, trägt sie uns

© Peter Weber
Alessandra Weber
Vor einigen Wochen wurde ich angefragt, ob wir als Familie bereit wären, einen Bericht darüber zu schreiben, wie sich die TA auf unsere Familie, auf unsere Beziehungen ausgewirkt habe. Nach kurzer Besprechung waren wir alle einverstanden – vom Ältesten bis zum Jüngsten. Da gerade viel los war, legten wir das Thema erstmal zur Seite. Und so verstrichen die Tage und Wochen.
Und heute ist Eingabeschluss. Nach einem Sonntag mit Schulaufführung, Abschiedsmittagessen für die Drittklasslehrerin und Arbeitseinsatz am Stadtfest, sitze ich nun am Gartentisch und schreibe diesen Artikel.
Alleine.
Peter leistet gerade seinen Einsatz am Stadtfest, der 13-Jährige ist im Klassenlager, der 10-Jährige schläft bei einem Freund und der 7-Jährige schlummert schon tief und fest. Und ich sitze hier. Entspannt. Zufrieden. Im Reinen mit mir und meinen Liebsten.
Vor einigen Jahren wäre das anders gewesen. Da wäre ich wütend gewesen. Hätte mich als Opfer gefühlt. Und auch als Versagerin. Hätte den Anderen Vorwürfe gemacht und sie und mich abgewertet.
Wir erkennen, was abgeht
Heute Abend habe ich mich zwei Minuten aufgeregt und mich dann dazu entschieden, mich mit einem kühlen Glas Wasser auf die Terrasse zu setzen, den lauen Sommerabend zu geniessen und dabei diesen Text zu schreiben. Keine Psycho-Spiele, keine negativen Strokes, kein Drama.
Wow, werden Sie nun vielleicht denken. Das ist ja vorbildlich.
Nein. Eine Vorzeigefamilie sind wir nicht. Auch bei uns fliegen ab und zu die Fetzen. Auch heute noch. Mit jahrelanger TA-Erfahrung.
Doch diese Situationen sind seltener. Kürzer. Wir schaffen es schneller, da wieder raus zu kommen. Und das verdanken wir der TA-Ausbildung. Wir sind reflektierter, erkennen jetzt, was abgeht.
Auf unsere Beziehung als Paar hat sich die TA positiv ausgewirkt. Wir haben eine gemeinsame Sprache. Ich verstehe Peter, wenn er mir von einem schwierigen Gespräch bei der Arbeit erzählt und beschreibt, wie der Andere meist im kritischen Eltern-Ich war und auf seine wichtigsten Anliegen stets tangentiale Antworten gegeben habe. Das gemeinsame Interesse an der TA verbindet.
Manchmal finde ich es allerdings auch nervig, dass Peter so viel psychologisches Wissen hat. Wenn er mir zum Beispiel aufzeigt, dass ich in einem Konflikt mit unserem Sohn in der Opferhaltung war oder ihm gegenüber im rebellischen Kind. Obschon er in diesen Situationen meist vollkommen richtig liegt mit seiner Einschätzung, wünsche ich mir in solchen Momenten manchmal einen Partner, der mich weniger gut «durchschaut».
Für die Kinder ist’s normal
Unsere Kinder wachsen mit den TA-Modellen und dieser Sprache auf. Wahrscheinlich glauben sie, so würden alle Leute miteinander reden. Für sie ist das Normalität.
Unser Ältester musste denn auch lange nachdenken, als ich ihn vor zwei Wochen einmal fragte, wie sich die TA auf unsere Familie ausgewirkt habe. Zuerst sagte er: «Wegen der TA-Ausbildung waren du und Papi immer wieder weg. Das fand ich manchmal richtig doof.» Dann überlegte er einige Minuten. Plötzlich begannen seine Augen zu strahlen: «Und als es bei mir in der Schule so richtig schwierig war und ich nicht mehr hingehen wollte, hat die TA geholfen. Ohne TA hättet ihr euch nicht so verhalten.»
Das hat mich sehr berührt. Mein Sohn hat vollkommen recht. Ohne TA hätte das damals wohl alles viel länger gedauert. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir genauso gehandelt hätten. Ob wir genauso konsequent unseren Standpunkt vertreten und unser Kind geschützt hätten.
Ich bezweifle es.
Ja, wenn es schwierig wird, trägt sie uns, die TA.