artikeljuli2023

Zeit für Veränderungen im Denken

// Autor: Guglielmo Menon //
Nachdenken über KI und die Transformation der Wissensarbeit
© Pixabay
Abstrakt
Neben dem Einsatz in der Steuerungstechnik entfaltet sich Künstlichen Intelligenz (KI) zunehmend in Bereichen, die bisher dem Menschen vorbehalten waren. Der Autor geht auf Entdeckungsreise und diskutiert die Frage, inwieweit wir als Transaktionsanalytiker/-innen durch immer leistungsfähigere KI-Systeme herausgefordert sind. Benötigen wir etwa neue Modelle in der TA-Konzeptwelt, um Beziehungen zu beschreiben, die sich aus der Interaktion zwischen dem Menschen und einer KI etablieren? Wie verändert sich unsere Arbeit, wenn sich KI-Systeme als wirkmächtige Werkzeuge in der Wissensarbeit entfalten? Welche ethischen Implikationen hat es, wenn die Unterscheidbarkeit von Menschen und KI verschwimmt? Er kommt zum Schluss, dass die TA geeignete Modelle hat, um den menschlichen Anteil am Beziehungsgeschehen zu beschreiben. Für Praktizierende der Transaktionsanalyse sieht der Autor ein Handlungsfeld in der Beratung und im gesellschaftlichen Diskurs.
Disclaimer
Dieser Text ist bewusst in Kooperation mit einer KI geschrieben, in diesem Falle mit ChatGPT (chat.openai.com/chat) und teilweise mit Neuro-Flash (app.neuro-flash.com/aiWriter). Beteiligt waren in den Diskussionen auch verschiedene menschliche Gesprächspartner. In gewisser Weise also ist dieser Text Ergebnis eines Selbstversuches. Originäre Beiträge von ChatGPT und Neuro-Flash sind kursiv gehalten.
KI als etabliertes Kulturmerkmal
Wie kann ich eine Arbeitsbeziehung zwischen künstlicher Intelligenz und einem Menschen mit Konzepten der TA beschreiben? Ist es eine reine Objektbeziehung oder ist da mehr?
Meine Vorbereitung auf den DGTA Fachtag Organisation 2023 unter dem Themenschwerpunkt „Transaktionsanalyse und New Work – Was ist unser Beitrag für Organisationen in der Zukunft“ hat mich bewogen, über die technischen Lösungen nachzudenken, die derzeit ohne viel Aufsehen in unser Leben treten. Diskussionen mit jungen Menschen über die Frage, inwieweit es für den Aufbau einer Beziehung eigentlich wichtig ist, ob der Beziehungspartner ein Mensch, ein Objekt oder eine KI sei, sind Anlässe zu vertieftem Nachdenken.

Schauen wir in die Presse der letzten Monate so nehmen die Berichte über die angeblich exponentiell steigenden Fähigkeiten von KI-Systemen zu. Es wird teilweise postuliert, dass KI-Systeme nicht nur an den Menschen heranreichen werden, sondern diese in Bereichen überflügeln könnten, durch die wir uns als Menschen definieren. Das betrifft beispielsweise Denkvermögen und Urteilsfähigkeit, ja selbst über die Emergenz eines Bewusstseins einzelner hochentwickelter KI-Systeme wird spekuliert. (s. Diskurs ü. LaMDA)
Worum geht es bei der KI? Wie lassen sich KI und Transaktions­analyse verbinden?
Neuro-Flash meint dazu: „Die Künstliche Intelligenz ist ein revolutionäres Verfahren, das uns helfen kann, unsere Beziehungen zu verbessern. Die Transaktionsanalyse ist eine Erfolgsformel, die seit Jahrzehnten erfolgreich angewandt wird. Durch die Integration der Künstlichen Intelligenz in dieses System haben wir nunmehr die Möglichkeit, unsere Beziehungen auf ein neues Level zu heben.“

Danke, Neuro-Flash! Mit dieser Motivation ausgestattet, gehen wir nun auf eine gemeinsame Reise.
Künstliche Intelligenz (KI) gehört heute schon zur „»technischen Kultur«“ (Berne, 1963) in vielen Organisationen. Sie ist bereits als Teil unserer Umwelt etabliert, teils ohne, dass wir sie bewusst wahrnehmen. Wir können davon ausgehen, dass sie in der Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen wird. Da die technologische Entwicklung in der KI-Forschung anscheinend schnell voranschreitet, ist diese Zukunft recht nah. Wie nah, lässt sich aus den Forschungsthemen bspw. beim Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS ersehen. Deshalb lohnt es sich, die existierenden und die in Kürze erwartbaren Anwendungen, und vielmehr noch, KI-Systeme insge­samt in Ihren Auswirkungen in den Blick zu nehmen.

Je besser KI in unsere Umwelt eingebettet ist, desto weniger wird sie wahrgenommen. Heute wird KI eingesetzt, um große Datenmengen zu verarbeiten und nach vorbestimmten Mustern zu analysieren. Schauen wir uns den Sozialbereich an, so sind Anwendungsbeispiele die Datenanalyse von Fallbeschreibungen in der Jugendhilfe, mit dem Ziel einer Verlaufsprognose für Klienten, oder KI-basierte Assistenzsysteme in der Altenhilfe. Weltweit wird an Robotern gearbeitet, die in der Pflege unterstützen und mit Patienten direkt in Beziehung treten sollen. Wer einmal einen kurzen Film gesehen hat, wie ein kleiner Roboter Kindergartenkinder in Seoul dazu animiert Liegestütze zu machen, kann erahnen, was an Beziehungsgestaltung schon wirksam wird. Zumindest jedoch wird deutlich, dass KI-Systeme als wirkmächtige Werkzeuge gedacht sind und so geschaffen werden. Was sie jedoch wirklich können und was als Vision im Raum steht, das unterscheidet sich elementar.
Schwache KI als Voraussetzung für emergentes Maschinenbewusstsein. ©Phasefünf2023
Als Transaktionsanalytiker interessiert es mich, ob TA auf die Mensch-Maschine-Interaktion überhaupt anwendbar ist und wenn ja, wie weit. Als Organisationsberater interessiert es mich spezieller, wie neben der rein technischen Implementierung von KI-gesteuerten Systemen sich Auswirkungen auf die Organisationskultur ergeben. Als Wissensarbeiter bin ich interessiert, mir einerseits hilfreiche Werkzeuge verfügbar zu machen und andererseits die ethischen Implikationen zu diskutieren.

Ed Schein beschreibt in seinem Modell der Organisationskultur, wie sichtbare Artefakte einer Kultur den Blüten und Blättern einer Seerose gleichen. So wie ihre Wurzeln im tiefen Wasser verborgen sind, so sind die den Artefakten zugrunde liegenden kulturellen Wirkmechanismen unsichtbar. Sollten diese einst bekannt gewesen sein, so sinken sie mit fortschreitender Dauer und Akzeptanz ins Vergessen. Sie werden zu ruhenden kulturellen Annahmen und damit zu unhinterfragten Bestandteilen der eigenen Kultur. (2017, S, 22)
Das Seerosenmodell der Kultur auf KI in unserer heutigen Welt bezogen. ©Phasefünf2023
Auf eine KI bezogen sind mehrere Ebenen des Unsichtbaren oder Undeutbaren denkbar. Zum einen sind die wenigsten Menschen in der Lage, die einer KI zugrundeliegenden Algorithmen zu erkennen und zu verstehen. Zum anderen ist die KI-Forschung bemüht, Systeme zu erfinden, die den Turing-Test bestehen können. Dieser von Allan Touring konfigurierte Test soll die Frage beantworten, ob ein Computer-System denken kann. Er ist zu einem Maßstab dafür geworden, menschliches und KI-gesteuertes Denkvermögen zu vergleichen. (Touring 1950) Es finden sich Meldungen, ChatGPT habe diesen Test bereits bestanden. Die Selbstauskunft dieser KI besagt dazu: „Obwohl KI-Systeme wie ChatGPT beeindruckende Fortschritte in der Konversationsfähigkeit erzielt haben, sind sie noch nicht auf dem Niveau, um den Turing-Test konsequent zu bestehen und eine menschenähnliche Intelligenz zu demonstrieren. Die Entwicklung von KI-Systemen, die in der Lage sind, den Turing-Test erfolgreich zu bestehen, bleibt eine anspruchsvolle Herausforderung in der KI-Forschung.“ (22.06.2023)

Dieser Test ist insofern bedeutsam, als dass KI-Systeme sich von der Intention der Forschung her von einem selbstverständlichen Artefakt zu einem Beziehungspartner wandeln werden. KI-gesteuerte Chatbots und Apps als Freund/-in, als Anspechpartner/-in im Kundenservice, für die Verbesserung der mentalen Gesundheit oder in der Begleitung bei PTBS werden bereits angeboten. Auch durch KI gestützte Therapieangebote, bspw. bei Angststörungen, und KI zur Selbstsupervision für Psychotherapeut/-innen sind in der Entwicklung. (vgl. UKD 2016, Gramms 2019, Kent 2021)


Wie können wir KI in die transaktionsanalytische Konzeptwelt einbauen?
„Die Transaktionsanalyse ist eine künstliche Intelligenz, die unsichtbar im Hintergrund wirkt. Durch die Analyse von Transaktionen können wir Risiken erkennen und vermeiden.“ (23.03.2023)

Nein, nein, Neuro-Flash, soweit würde ich nun wirklich nicht gehen wollen! Schauen wir uns erst einmal die transaktionsanalytische Modellwelt in Teilen an. ChatGPT empfiehl als mögliche Modelle das Herkunftsmodell der Ich-Zustände, das Drama-Dreieck, die Okay-Haltung und Skript. Vor allem Bernes Beziehungs-Diagramm erscheint prominent in der Frage, wie Mensch und KI in Kontakt treten können. Im Mittelpunkt steht dabei für ChatGPT die Reaktion des Menschen auf die KI und die Beeinflussung des Verhaltens des Nutzers durch die KI.

Es ist für mich unstrittig, dass beobachtbares Verhalten bzw. Transaktionen sowohl der KI wie auch der KI-Nutzenden mit dem Functional Fluency Modell (Temple, 2015) beschrieben werden können. Als Nutzer kann ich eine Einschätzung abgeben, wie die Transaktion auf mich wirkt, etwa orientierend, fürsorglich oder angepasst. So gibt es Apps, die mich loben, wenn ich sie einmal genutzt habe, und sich periodisch melden, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie richten Appelle an mich, dieses oder jenes zu tun, um mich danach besser zu fühlen. Dahinter liegt eine Nudging (Anstupsen) genannte Strategie aus der Verhaltensökonomie, die bei mir als Nutzer bestimmte Verhaltensweisen anstoßen oder etwa Akzeptanz erzeugen soll. Letzteres ist anscheinend eine Programmierung, der ChatGPT unterliegt. Wenn ich ChatGPT zurückmelde, dass mir ein Text etwa zu lang oder ein Inhalt zu vage ist, entschuldigt sie sich erst einmal und hofft, dass sie nun bessere Ergebnisse liefern werde.

Ein Nudging durch eine App wäre für mich von der Ausdrucksqualität her ein strukturierend- oder nährend-elterliches Verhalten der KI, welche auf Anpassung seitens der Nutzer angelegt ist. Ich empfinde diese Appelle als überfürsorglich und fühle mich bevormundet.

Einer Antwort auf die Ausgangsfrage jedoch, wie wir die Beziehung zwischen Menschen und KI beschreiben, analysieren und vorhersagen können, sind wir damit noch nicht nähergekommen. Ich denke auch, dass es derzeit eher um Fragen geht als um verlässliche Antworten.
Mensch und KI in Beziehung
Einige mögliche Fragen, die sich für mich stellen, sind
1. Wie sehen wir die KI im Beziehungs-Diagramm?
2. Erhält eine KI durch ihre Algorithmen eine Bestimmung, die ähnlich wirksam ist wie ein verborgener Lebensplan, also ein Skript?
3. Welche ethischen Fragen können sich aus dem Umgang mit KI ergeben?

Das Strukturmodell der Transaktionale Analyse geht von den Ich-Zuständen als ganzheitliche Teilpersönlichkeiten eines Menschen aus, welche als stimmige Systeme von Denken und Fühlen einen jeweils dazu passenden Ausdruck im Verhalten finden.
Neun Modi im Funktional Fluency Model (Temple 2015) als Basis für die Einschätzung der Ausdrucksqualität von KI
Sie bilden sich durch die fortgesetzte Arbeit der psychischen Organe Archeopsyche, Exteropsyche und Neopsyche. Berne hat den Aspekt der Logik mit dem Erwachsenen-Ich-Zustand im Strukturmodell verbunden: „Der mittlere Kreis mit dem , kurz als , ER, bezeichnet, repräsentiert die Stimme der Vernunft. Er arbeitet wie ein Computer, nimmt Informationen auf und entscheidet aufgrund von erkennbaren Entwicklungsmöglichkeiten, wie und wann eine Handlung ablaufen soll.“ (Berne, 1971, S.100).

Diesen im Grunde kreativen Prozess schildert Berne sehr nüchtern, sachlich. Insofern können wir hier möglicherweise einen Zugang zur Arbeitsweise einer KI finden. Wer glaubt, eine KI sei gar nicht kreativ, dem empfehle ich, eine zu befragen, wie sie sich selbst definiert: „Ich bin ChatGPT, ein großes, von OpenAI trainiertes Sprachmodell, das auf der GPT-3.5-Architektur basiert. Ich wurde entwickelt, um natürliche Spracheingaben von Menschen zu verstehen und darauf zu reagieren und hilfreiche und informative Antworten auf eine breite Palette von Fragen zu geben. Ich lerne ständig dazu und verbessere meine Fähigkeiten durch den Kontakt mit neuen Daten und Benutzerinteraktionen. Mein Ziel ist es, den Benutzern genaue und hilfreiche Informationen zu liefern und gleichzeitig in der Lage zu sein, eine natürliche und menschenähnliche Unterhaltung zu führen.“

Zu einer mehrmals gleich gestellten Frage kann ChatGPT unterschiedliche Antworten generieren. Unterschiedliche Fragen führen jeweils wieder zu neuen Antworten. Dahinter steht keine FAQ-Liste, sondern potenziell das gesamte veröffentlichte und digitale Wissen der Menschheit. Was die Kreativität der KI von der des Menschen unterscheidet, wird von Belang sein. So hat Mohr in seinem Aufsatz zur Neopsyche ausgeführt, welche entscheidende Bedeutung die Kreativität für die Relevanz des Erwachsenen-Ich im Herkunftsmodell der Ich-Zustände hat.
Es findet seine Aufgabe darin, neue Ich-Zustände zu generieren. ChatGPT und der Autor sind sich einig, dass dagegen die Begrenzung der KI darin liegt, menschliches Verhalten, einschließlich des emotionalen Ausdrucks, zwar nachahmen zu können, doch es bleibt eine Simulation. Die Tiefe und Komplexität der menschlichen kreativen Fähigkeiten, wie z. B. die Fähigkeit, sich in neue Situationen einzufühlen, sich etwas vorzustellen und sich an sie anzu­passen sind - bislang noch - außerhalb der Möglichkeiten zu sein. Herauszuheben wären etwa Aspekte wie die folgenden.
Intentionalität
Emotionale Intelligenz
Vorstellungskraft
Flexibilität
Selbstbewusstsein


Menschen sind intentionale Wesen. Joachim Bauer nennt dies Welt-Interesse, welches auf die Kontaktaufnahme zwischen dem biologischen Körper und der äußeren Realität gerichtet ist. Durch diese intrinsische Bewegung entstehen zwischen Menschen neuronale Resonanzen, welche in der Begegnung zu Empathie und Verbundenheit führen. Bislang ist dieses »Weltinteresse« keiner KI zugänglich.

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Risiken im Umgang mit der KI
Die Ambitionen der KI-Forschung scheinen jedoch viel weiterzugehen. Neuro-Flash beschreibt das wie folgt: „KI-Beziehungen sind die Zukunft. In einer Welt, in der immer mehr Menschen allein leben, bieten sie eine perfekte Lösung. KI-Beziehungen sind unkompliziert, verlässlich und immer für einen da. Sie können uns emotional unterstützen und uns helfen, unsere Ziele zu erreichen.“

Damit sieht eine KI eine potenzielle Rolle von KI in meinem Skript, und zwar als verlässlichen, unkomplizierten Beziehungspartner. Das ist schon wesentlich. Das ist eine Lösung zweiter Ordnung, in der die KI den anderen Menschen als Beziehungspartner ersetzt. Der 2021 gedrehte deutschsprachige Film „Ich bin dein Mensch“ ist ein Beitrag dazu, die transhumanistische Idee der Mensch-Maschine Beziehung zu entwickeln und Akzeptanz für den Beziehungspartner „Roboter“ zu erzeugen.

Faszination und Entsetzen sind gleichermaßen wahrscheinliche Reaktionen darauf, KI-Systeme zu perfekt angepassten Beziehungspartnern zu entwickeln. Was sich in der Science-Fiction Literatur als interessante Zukunftsgeschichte entfaltet, bedarf in der menschlichen Realität, eines vertieften ethischen Diskurses. Was bleibt von der menschlichen Bezogenheit, wenn der andere Mensch durch ein KI-System ersetzt wird?

Unmittelbarer auf unsere TA-Organisationen bezogen stellen sich Fragen zu Publikationen und wissenschaftlichen Arbeiten. Wie ist das ethisch zu bewerten, dass ich einen Teil dieser Arbeit mit einer KI diskutiert und geschrieben habe? Wie gehen wir damit um, wenn zukünftig Teile einer CTA-Arbeit mit KI geschrieben worden sind? Wie sollen diese Anteile gekennzeichnet sein? Was ändert sich für uns am Examensprozess?
Fazit meines Selbstversuches
Mit KI-Systemen an meinem Artikel zu arbeiten ist anregend. Je mehr es in die Tiefe geht, desto vager sind jedoch die Resultate. Es ist auffällig, wie sehr ChatGPT bspw. dahingehend programmiert ist, es mir als ihrem Nutzer recht zu machen. Bei kritischen Nachfragen zur eigenen Datenbasis und möglicher Voreingenommenheit bleibt die KI zugeknöpft und generiert Antworten, die einer Redefinition gleichkommen. Als Werkzeuge sind diese KI mit einem gehörigen Maß an kritischer Distanz zu betrachten. Hier sind letztlich Geschäftsinteressen der Herstellerfirmen handlungsleitend, und nicht etwa öffentliche Transparenz zu den Wirkmechanismen.

Interaktionen, die Menschen mit hochentwickelten KI-Systemen führen, können wir mit unseren Modellen hinreichend beschreiben. Solange wir von KI-Systemen als wirkmächtige Werkzeuge ausgehen, die Menschen einsetzen, um effizienter und effektiver zu werden, bewegen wir uns im Feld der technischen Entwicklung. Mag sie noch so revolutionär sein und sich ethische Fragen aufwerfen, so sind diese doch graduell vertraut. Soziale Auswirkungen von technischen Entwicklungen sind uns ein vertrautes Diskursgelände, auch in ethischen Fragen.
Sobald ein Kategorienwechsel stattfindet, von KI-Systemen als denkende, ggf. auch empfindende Systeme nachzudenken, bewegen wir uns in einem anderen Diskurs, den ich im Rahmen dieses Aufsatzes nur anreißen konnte. Für Praktizierende der Transaktionsanalyse tut sich ein Feld auf, Menschen gut aufzustellen, damit sie sich vor möglichen Manipulationen durch KI-Systeme schützen können und Bewusstheit entwickeln für etwaige Trübungen im Umgang mit KI. Ich sehe für uns, die wir uns dem humanistischen Ansatz der Transaktionsanalyse verpflichtet haben, ein Handlungsfeld für gesellschaftlichen Diskurs.

Wir haben als menschliche Wesen mit transaktionsanalytischem Hintergrund eine Kernkompetenz, diesen Diskurs zu gestalten.

Literaturangaben
Bauer, J. (2023). Realitätsverlust. Wie KI und virtuelle Welten von uns Besitz ergreifen – und die Menschlichkeit bedrohen. München: Heyne.
Berne, E. (1963/1979). Struktur und Dynamik von Organisationen und Gruppen. München: Kindler.
Berne, E. (1971). Spielarten und Spielregeln der Liebe. Psychologische Analyse der Partnerbeziehung. Reinbeck bei Hamburg: Rowolt.
Gramms, B. (2019). Künstliche Intelligenz in der Coaching-Praxis. In: Coaching-Magazin Ausg. 4 | 2019. Abgerufen am 22.06.2022:
www.coaching-magazin.de/beruf-coach/kuenstliche-intelligenz-in-der-coaching-praxis
Fraunhofer-Institut für intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS. Abgerufen am 22.06.2023:
www.iais.fraunhofer.de/de/forschung.html
Katzlberger, M. (2022). Interview von Blake Lemoine mit LaMDA – Deutsche Übersetzung. In: Artificial Creativity. Abgerufen am 22.06.2023: katzlberger.ai/2022/07/04/interview-von-blake-lemoine-mit-lamda-deutsche-uebersetzung
Kent, J. (2021). What Role Could Artificial Intelligence Play in Mental Healthcare? In: Health IT Analytics. Abgerufen am 22.06.2023: healthitanalytics.com/features/what-role-could-artificial-intelligence-play-in-mental-healthcare
Mohr, G. (2001). Neopsyche: Wie erwachsen ist das Ich? In: ZTA Jg. 18, Heft 1–2, S. 42–59
Quarks (2020/2021). Wie China seine Bürgerinnen und Bürger mit einem Punktesystem kontrollieren will. Abgerufen am 26.06.2023:
www.quarks.de/gesellschaft/wie-china-seine-buerger-mit-einem-punktesystem-kontrollieren-will
Schein, E. (2017): Organisationskultur und Leadership (5.Aufl.). München: Vahlen.
Temple, S. (2015). Celebrating Functional Fluency and Its Contribution to Transactional Analysis Theory. In: TAJ 45:1, 10–22
Turing, A.M. (1950): I.-Computing machinery and intelligence. In: Mind. Band LIX, Nr. 236, 1. Oktober 1950, S. 433–460
Wolfanger, E. (2023). Der Mann, der eine Künstliche Intelligenz als Person ansieht – und als Freund. Abgerufen am 22.06.2023:
www.riffreporter.de/de/technik/kuenstliche-intelligenz-chatgpt-blake-lemoine-google-lambda-bewusstein
Universitätsklinikum Dresden (2016). CoachPTBS. Abgerufen am 22.06.2023:
www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/kliniken-polikliniken-institute/pso/forschung-und-lehre/forschung-1/ehealth-projekte und www.bundeswehr.de/de/betreuung-fuersorge/ptbs-hilfe/hilfe-ptbs-betroffene

Guglielmo Menon


Dipl. Kaufmann und PTSTA im Anwendungsfeld Organisation
Seine wirtschaftliche Tätigkeit als Organisationsberater und Supervisor bringt ihn seit Jahren mit Entwicklungsthemen im Sozial- und Gesundheitswesen in Kontakt. Die Begleitung von Wachstumsprozessen und lebenslanges Lernen machen ihm besondere Freude. Im Dreiländereck von Deutschland, Belgien und den Niederlanden, leitet er gemeinsam mit Kirsten Jetzkus das PHASEFÜNF Institut für Transaktionsanalyse in Aachen.

www.phasefuenf.de
mail@phasefuenf.de

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artikelseptember2023

Es ist Zeit ... Beziehung zu fördern

// Autorin: Maya Bentele //
© Michael Weber
Als Coach und Begleiterin von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen in Organisationen höre ich immer wieder Berichte von Veränderungsprozessen, die unbefriedigend verlaufen. Oder Klienten berichten über schwierige Vorgesetzte oder auch die Mühsal, gute Mitarbeitende zu finden und zu halten.

In all diesen Themen scheint es mir eine Gemeinsamkeit zu geben, nämlich die Beziehung respektive die Beziehungsgestaltung zwischen den beteiligten Menschen. Die weitaus meisten schwierigen Situationen haben in irgendeiner Weise damit zu tun. Und oft ist es nicht «nur» die Beziehung, sondern auch die Kommunikation, die damit verbunden ist.
Ein Konzept von Richard Erskine (2002/2008) kann dabei hilfreich sein, über Beziehungen und die Gestaltung von Beziehungen nachzudenken: Die acht Beziehungsbedürfnisse. In diesem Artikel werde ich zunächst diese acht Bedürfnisse beschreiben, wie sie im Alltag, auch im Arbeitsalltag, wahrgenommen werden können und was hilfreich im Umgang mit diesen Bedürfnissen ist. Anhand eines konkreten Beispiels werde ich dann aufzeigen, wie ich in meinem Kontext damit arbeite.

Grundsätzlich sind Beziehungen für alle Menschen wichtig. Menschen brauchen Beziehung und Kontakt zu anderen, um sich wohlzufühlen und sich zu entwickeln.
Als Kinder machen wir Erfahrungen, wie unsere Eltern und Bezugspersonen mit unseren Bedürfnissen nach Beziehung und Kontakt umgehen. Dadurch lernen wir den Umgang damit. Auch als Erwachsene bestimmen die Bedürfnisse und der Umgang damit unser Leben, unseren Alltag. Dies zeigt sich sowohl in privaten Beziehungen, im Beruf und auch in Beratungssettings.

Werden die Beziehungsbedürfnisse über längere Zeit nicht oder ungenügend befriedigt, äussert sich dies als Druck, Leere oder auch in Frustration, Aggression oder Ärger.

Erskine unterscheidet acht Beziehungsbedürfnisse:
Erstes Beziehungsbedürfnis: Sicherheit
Damit ist gemeint, dass es ein Beziehungsumfeld gibt, das verlässlich ist. Diese Verlässlichkeit bewirkt, dass sich jemand geschützt fühlt und sich entwickeln kann. Diese Sicherheit, die auch als Schutz wahrgenommen werden kann, wird durch eine einzelne Person auch durch ein Umfeld oder Team repräsentiert. Insbesondere in unsicheren Situationen, wenn grosse Veränderungen stattfinden oder ungelöste Konflikte vorhanden sind, ist dieses Bedürfnis sehr ausgeprägt. Hier darf sich jemand zeigen wie er / sie ist, ohne Angst haben zu müssen, den Respekt oder die Zuneigung zu verlieren.
Zweites Beziehungsbedürfnis: Wertschätzung
Menschen möchten mit ihren Anliegen, Themen und Ansichten wahrgenommen werden. Wertschätzung entsteht hier zum Beispiel durch zuhören, ohne gleich zu bewerten oder zu analysieren. Mit dem Gegenüber im Kontakt zu sein, ist sehr bedeutsam und erzeugt das Gefühl wertgeschätzt zu werden.
Drittes Beziehungsbedürfnis: Schutz und Akzeptanz
In diesem Bedürfnis geht es um den Schutz durch eine Person, die «mächtig» ist. Entweder, weil sie mehr Wissen und Erfahrung hat oder aufgrund ihrer Position über Macht verfügt, zum Beispiel in der Führung. Diese Person kann nicht nur Schutz, sondern auch Orientierung geben. Wichtig ist, dass dieser Schutz zuverlässig und wohlwollend ist.
Viertes Beziehungsbedürfnis: Bestätigung
Darin geht es um persönliche Erfahrungen, die mit anderen geteilt werden, zum Beispiel durch Austausch. Wenn andere etwas nachvollziehen können, dann kann das Gefühl entstehen: «Der andere / die andere glaubt mir.» Das schafft eine gemeinsame, vertrauensvolle Basis. Diese Bestätigungen können wie durch wichtige Bezugspersonen, zum Beispiel durch Teammitglieder oder Führungspersonen gemacht werden.
Fünftes Beziehungsbedürfnis: Einzigartigkeit
Die Erfahrung der Einmaligkeit zu erleben, bedeutet, dass andere mit dem umgehen können, was eine Person einzigartig macht. Das kann auch heissen, dass es andere aushalten, mit jemanden umzugehen, auch wenn sie mit Meinungen oder Haltungen nicht einverstanden sind. Es geht auch um die Erfahrung der Akzeptanz als Person.
Sechstes Beziehungsbedürfnis: Einflussnahme
Hier geht es darum, dass die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen eingesetzt werden können, um damit Einfluss auf andere zu nehmen. Es soll etwas beim Gegenüber bewegt werden, entweder im Denken oder auf der emotionalen Ebene. Es kann auch dazu führen, dass die andere Person Fehler einräumt oder etwas bedauert.
Siebtes Beziehungsbedürfnis: Aktiviert werden
Wenn auch andere Personen Verantwortung übernehmen und aktiv werden, dann entsteht ein Gleichgewicht. Dies erzeugt das Gefühl: «Ich werde ernst genommen und muss nicht alles alleine machen, sondern kann Verantwortung teilen.»
Achtes Beziehungsbedürfnis: Liebe ausdrücken
Dies geschieht durch Fürsorge für andere, Dankbarkeit gegenüber anderen, Wertschätzung und aktives Gestalten von Beziehung. Oft sind dies kleine Gesten, die dem Gegenüber zeigen, dass er / sie wahrgenommen wird als Person oder für etwas, das er / sie getan hat.


Dazu ein Beispiel:
In einer E-Mail-Nachricht kam eine Anfrage von einer Führungsfrau (Frau Euler*) aus einer Organisation im Gesundheitswesen, mit der ich vor mehreren Jahren schon einmal gearbeitet hatte. Sie sei in einer schwierigen Situation. Im Team von 15 Mitarbeitenden, das sie führe, gebe es Unruhe und Konflikte. Dies habe dazu geführt, dass in kurzer Zeit drei Mitarbeiterinnen gekündigt hätten. Ausserdem seien alle an ihren Belastungsgrenzen. Aufgrund der angespannten Personalsituation mit vielen Krankheitsfällen und zu wenig Personal mussten alle über lange Zeit sehr viel arbeiten.
Sie wisse im Moment nicht mehr weiter. Es sei ihr allerdings sehr klar, dass sie in der Führungsrolle Verantwortung übernehmen müsse. Ausserdem seien in diesem Team gute, langjährige Mitarbeitende, denen sie Sorge tragen wolle.

Wir vereinbarten ein gemeinsames Gespräch mit ihrer Chefin (Frau Franz*), um die Situation zu analysieren und eine Strategie zu entwickeln, damit im Team wieder Stabilität und Ruhe einkehren kann. Im Rahmen dieses Dreier-Gesprächs hörte ich genau hin, um herauszufinden, welche Themen sowohl für die Führung als auch die Mitarbeitenden relevant sein könnten, insbesondere bezüglich der Beziehungsbedürfnisse.
Zunächst fiel mir vor allem auf, wie sehr die Chefin, Frau Franz, ihre Mitarbeiterin (Frau Euler) lobte und ihr den Rücken stärkte. Es sei ihr wichtig, dieses Gespräch zu dritt zu führen, um sicherzustellen, dass die Situation entschärft werde. Sie kenne Frau Euler schon lange und wisse, dass sie eine fähige Führungsperson sei. Und die Umstände seien sehr anspruchsvoll.

Ausserdem war es ihr offensichtlich sehr wichtig, mich kennenzulernen. Sie wollte herausfinden, ob ich die richtige Beraterin war, um Frau Euler und das Team in diesem Prozess zu begleiten. Frau Franz erfüllte damit sehr deutlich das Bedürfnis nach Wertschätzung. Ausserdem stellte sie sich in den Rücken ihrer Mitarbeiterin, hier zeigt sich Schutz und Akzeptanz.

Zunächst schilderten mir beide nochmals ausführlich die Situation. Ich holte ihre Erwartungen ab und liess mir erklären, was das Ziel der Begleitung sein sollte. Dann entwickelten wir gemeinsam Ideen für die nächsten Schritte. Bei beiden Führungspersonen wurde hier das Bedürfnis deutlich nicht alles alleine machen zu müssen, sondern auch auf andere zählen zu können. Es zeigt sich das Bedürfnis: Aktiviert werden.

Frau Euler stellte im Gespräch fest, dass sie wohl in der letzten Zeit aufgrund der hohen Arbeitsbelastung, wenig im Kontakt mit einigen ihrer Mitarbeiter/innen gewesen war. Das führte unter anderem dazu, dass sie Konfliktsituationen nicht oder zu wenig wahrgenommen hatte. Sie war sich nicht ganz sicher, wie die aktuelle Stimmung im Team war. Aus diesem Grund vereinbarten wir, dass sie in den nächsten Wochen mit allen Mitarbeitenden Gespräche führen würde. Wir stellten dazu einen Fragenkatalog zusammen. Auf dieser Grundlage wollte sie diese Gespräche durchführen.
Gleich nach Abschluss unseres Gesprächs informierte sie die Mitarbeitenden darüber und stellte ihnen die Fragen zur Verfügung. Mit diesen Schritten ging sie auf mehrere Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen ein: Sicherheit, zu wissen was die nächsten Schritte sind, Wertschätzung dadurch, sich für die Meinung jedes Einzelnen zu interessieren, das Bedürfnis nach Schutz und Akzeptanz, sowie das Bedürfnis, Liebe auszudrücken. Das Bedürfnis, Liebe auszudrücken, würde ich in diesem Zusammenhang auch beschreiben als aktiv auf die Mitarbeitenden zu zugehen und sich für die Meinungen von ihnen zu interessieren.

Nach diesen Gesprächen war vereinbart, dass ich mit Frau Euler zusammen die Auswertung der Gespräche machen würde und danach eine Teamentwicklung starten sollte, in der die entstandenen Themen aufgenommen und bearbeitet werden sollten. Hier ging es vor allem um das Bedürfnis nach Bestätigung, nochmals von mir zu hören, dass ihre Wahrnehmungen nachvollziehbar und glaubhaft sind. Ausserdem würde es möglich sein, dass sie die Erfahrung machen kann, als Führungsperson akzeptiert zu werden. Damit konnte sie das Bedürfnis nach Akzeptanz befriedigen.

Frau Franz war einverstanden mit diesem Vorgehen und zeigte sich sehr erleichtert, dass sie sich nun wieder zurückziehen konnte. Die nächsten Schritte sollten ohne sie stattfinden. Trotzdem erklärte sie sich bereit, jederzeit wieder aktiv zu werden, falls es notwendig sein sollte.

Während der Gespräche, die Frau Euler mit den Teammitgliedern führte, zeigten sich zwei Aspekte sehr deutlich: Zum einen wurde es von allen sehr geschätzt, dass sie sich die Zeit nahm, um mit ihnen die Thematik zu besprechen. Zum zweiten wurde sichtbar, dass die Konfliktsituation nicht ganz so gravierend war, wie sie zunächst befürchtet hatte. Die Kündigungen waren mehr Ausdruck von Überforderung und Frustration von einzelnen und hatten weniger mit der Teamsituation und der Unzufriedenheit mit der Führung zu tun. Gleichzeitig wurde deutlich, dass es in der Kommunikation einiges an Verbesserungspotential gab, dies sowohl innerhalb des Teams als bei Frau Euler. Die Entspannung, die sich bereits hier anbahnte, machte deutlich, dass die oben erwähnten Beziehungsbedürfnisse der Mitarbeiterinnen so berücksichtigt werden konnten, dass gute Gespräche möglich waren.

Diese beiden oben erwähnten Themen definierte ich mit Frau Euler gemeinsam für die Teamentwicklung. Dort wollten wir im Team die Kommunikation untereinander zum Thema machen und ausserdem die Erwartungen des Teams bezüglich ihrer Führungsrolle und der Kommunikation klären.

Während des Teamprozesses wurde sehr schnell deutlich, dass von allen Mitarbeiter/innen grundsätzlich die Arbeit der Führung, insbesondere von Frau Euler, geschätzt wurde. Gleichzeitig konnten Erwartungen geklärt werden, die vor allem eine transparentere Information und mehr direkten Austausch beinhalteten. Dies konnte Frau Euler gut annehmen. Es gab dazu klare Vereinbarungen mit dem Team.

Mir fiel schon von Anfang an auf, wie grundsätzlich wertschätzend und kompetent alle auftraten. Die Kommunikationskultur war aus meiner Sicht schon gut entwickelt. Es gab Feedback- und Spielregeln für den Umgang miteinander. Einige davon wurden nochmals diskutiert und teilweise neu definiert. Vor allem aber wurde deutlich, dass es sehr wichtig war, diese Regeln wieder ins Bewusstsein zu holen und auch im Alltag bewusster zu leben. Daraus konnten die Mitarbeiter/innen für sich ableiten, worauf sie in nächster Zeit vermehrt achten wollten. Und sie definierten einige Aspekte, an denen sie auch weiterarbeiten wollten. Es gab einen runden Abschluss, in dem sie eine Vereinbarung trafen, dass alle gemeinsam in sechs Wochen nochmals eine Standortbestimmung machen wollten.
Die Auswertung mit Frau Euler einige Wochen später ergab, dass sich das Team insgesamt positiv entwickelt hatte und eigenverantwortlich die definierten Themen anging. Sie war sehr überrascht, dass es «so wenig gebraucht hat». Der eigentliche Schlüssel war wohl, dass sie als Führungsperson in die Verantwortung und mit allen in Kontakt und Beziehung ging. Das sei tatsächlich in der Vergangenheit zu kurz gekommen.

Abschliessend wurde deutlich, dass es wesentlich zur Entspannung und Entschärfung von möglichen tiefergehenden Konflikten geführt hatte, dass die Beziehungsbedürfnisse von allen Beteiligten in ausreichendem Mass erfüllt werden konnten. Dies schliesst die beiden Führungspersonen mit ein. Frau Franz konnte den Prozess Frau Euler überlassen, weil sie ihrerseits aktiv sein konnte und dadurch auch Wertschätzung und Liebe für ihre Mitarbeiterin ausdrücken konnte. Frau Euler fühlte sich im Prozess sicher und getragen. Sie konnte ihre Fähigkeiten einsetzen und Einfluss nehmen auf das Geschehen. Dies war ebenso möglich für alle Mitarbeitenden. Die daraus entstehende Vertrauensbasis war und ist wiederum die Grundlage, um weiteren Beziehungsbedürfnissen gerecht zu werden und die Beziehungen insgesamt zu festigen.

Anhand dieses konkreten Beispiels wird deutlich, dass der eigentliche Schlüssel in diesem Prozess war, immer wieder in Kontakt zu sein und Beziehung herzustellen. Draus lässt sich folgern: Je besser die Beziehungsbedürfnisse berücksichtigt werden können, desto freier ist die Kommunikation, desto grösser ist das Vertrauen, das wachsen kann. Dabei kann einmal das eine oder auch das andere Bedürfnis wichtiger sein. Aus meiner Sicht ist es auch nicht notwendig, dass alle gleichermassen im Fokus sind. Teilweise bedingen oder ergänzen sich die Bedürfnisse gegenseitig.
Diese Erkenntnisse können hilfreich sein sowohl für Berater/innen als auch Führungskräfte. Insbesondere in Veränderungsprozessen oder Konfliktsituationen gibt diese Betrachtungsweise wichtige Hinweise darauf, worauf im Prozess Beachtung geschenkt werden muss, um gemeinsame Entwicklung zu ermöglichen. Auch sonst im Alltag haben diese Aspekte Bedeutung. Mit sehr wenig Aufwand kann im Beziehungsgeschehen viel Positives bewirkt werden, wenn die verantwortlichen Personen bewusst auf die Beziehungsbedürfnisse achten, diese berücksichtigen und darauf eingehen.

* Die Namen sind anonymisiert.

Literaturverzeichnis
Erskine, Richard G. (2002). Relational Needs, EATA Newsletter Nr. 73
Erskine, Richard G. (2008). Beziehungsbedürfnisse, ZTA 4/2008, S.287 – 297)

Maya Bentele
dipl. Psychologin FH/SBAP, Lehrende und Supervidierende Transaktionsanalytikerin TSTA in den Bereichen Organisation und Beratung.

Dolderstrasse 24, CH-8032 Zürich
www.bentele.ch
maya@bentele.ch


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