artikelfebruar2024
Keine Zukunft mehr und ein miserabler Zeitgeist?
// Autor: Günther Mohr //
Können da Heimat und Arbeit helfen?
©Günther Mohr
Karl Valentins Aussprach »Früher war auch die Zukunft besser« war lange ein Witz, heute ist es common sense. Da gilt es also einmal nachzuschauen, was passiert ist und was jetzt los ist. Im folgenden Beitrag geht es zunächst kurz um zwei wesentliche Aspekte der Zeit, nämlich Zukunft und Zeitgeist. In einem zweiten Teil werden dann zwei Faktoren für das Erfahren der Zeit dargestellt: Heimat und Arbeit. Beide Kontextfaktoren lassen Zeit spezifisch erleben. Also zweimal zwei ist die Struktur des Beitrages.
»Es ist Zeit« war der Titel des deutschsprachigen TA-Kongresses 2023 in Lindau. Die Zeit ist eine nicht greifbare Dimension, die wir aber in der Praxis dazu nutzen, die Abfolge von Ereignissen zu erfassen. Sie wird oft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterteilt und gerne als Pfeil dargestellt. Auch in der Physik wird die Zeit als eine lineare Richtung betrachtet, während Philosophen und Wissenschaftler sich mit Fragen über die Natur und Qualität der Zeit beschäftigen. Zeit kann ökonomisch auch als ein begrenztes Gut betrachtet werden, das effektiv genutzt werden sollte. Man sieht schon, Zeit ergibt bei genauer Betrachtung sehr unterschiedliche Perspektiven.
Zukunft
Gerade für die systemisch-transaktionsanalytische Beratung ist die Zukunft wichtig. Als Vertreter dieser Richtung bin ich nicht so vergangenheitsorientiert. Die Zukunft bezieht sich auf den Zeitraum, der nach der Gegenwart kommt. Sie ist von Natur aus ungewiss und kann von unseren Entscheidungen, Handlungen und Umständen beeinflusst werden. Die Zukunft ist ein Raum für Potenzial, Hoffnungen und Pläne. Menschen verwenden verschiedene Ansätze, um die Zukunft zu gestalten, wie z.B. Zielsetzung, Planung, strategisches Denken. Es ist wichtig anzumerken, dass niemand die Zukunft genau vorhersagen kann. Wir können jedoch versuchen, uns auf die Zukunft vorzubereiten, indem wir verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen, unsere Fähigkeiten und Kenntnisse erweitern und uns anpassungsfähig und flexibel halten. Florence Gaub (2023) hat für die Zukunft eine »Bedienungsanleitung« vorgelegt. Der Zukunft werde heute häufig ängstlich begegnet, aber Zukunft sei auch nüchtern zu betrachten. Dazu lädt Gaub mit verschiedenen Thesen ein, hier einige davon:
»Es ist Zeit« war der Titel des deutschsprachigen TA-Kongresses 2023 in Lindau. Die Zeit ist eine nicht greifbare Dimension, die wir aber in der Praxis dazu nutzen, die Abfolge von Ereignissen zu erfassen. Sie wird oft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterteilt und gerne als Pfeil dargestellt. Auch in der Physik wird die Zeit als eine lineare Richtung betrachtet, während Philosophen und Wissenschaftler sich mit Fragen über die Natur und Qualität der Zeit beschäftigen. Zeit kann ökonomisch auch als ein begrenztes Gut betrachtet werden, das effektiv genutzt werden sollte. Man sieht schon, Zeit ergibt bei genauer Betrachtung sehr unterschiedliche Perspektiven.
Zukunft
1. Wir beschäftigen uns zu wenig mit Zukunft. Alle sind konzentriert auf die Bewältigung der Gegenwart und die wird nah den Kategorien der Vergangenheit erlebt.
2. Es gibt nicht »die eine« Zukunft, sondern Zukünfte mit sehr unterschiedlichem Zeithorizont. Es gibt die nächste Sekunde, den nächsten Tag, das nächste Jahr, das, was ein Mensch in seinem Leben noch erleben kann und das über sein Leben Hinausgehende. Diese verschiedenen Zukünfte lassen uns unterschiedlich fühlen. Und Menschen unterscheiden sich vielleicht auch dadurch, wieweit ihr Horizont geht.
3. Menschen in Gegenden mit weniger Wohlstand sind optimistischer bezüglich der Zukunft. Da gibt es einerseits noch was zu erreichen. Da ist noch »Luft nach oben«. Andererseits scheint Wohlstand nicht unbedingt Zufriedenheit und Glück zu garantieren. Man hat auch mehr zu verlieren.
4. Wir haben alle eine unterschiedliche Beziehung zur Zukunft. Wie schon bei den ins Auge gefassten Zeiträumen beschrieben, ist auch die emotionale Tönung von Zukunft unterschiedlich. Zieht man einmal Berne's Skriptprozessmuster heran, so wird ein Mensch mit einem Erst-wenn-Muster ein anderes Gefühl als der mit dem Danach-Skriptmuster haben. »Erst-wenn…« bedeutet, dass man eine Erfüllung immer an bestimmte noch zu erfolgende Bedingungen knüpft. »Erst wenn das Haus abbezahlt ist«. »Erst wenn die Kinder aus dem Haus sind«…..hier gibt es verschiedene angenommene Schwellen. Beim Danach-Skriptmuster droht das Damoklesschwert einer Rechnung, die es irgendwann für aktuelles Wohlergehen noch zu bezahlen gelte, vielleicht weil man über seine Verhältnisse lebt oder weil es einem nach dem eigenen persönlichen unbewussten Lebensplan gar nicht gut gehen darf.
5. Philosophie beschäftigt sich erst seit ca. 300 Jahren mit der Zukunft (vielleicht nicht zufällig mit dem Auftreten von Aufklärung und Kapitalismus). Solange die Welt und ihre Taktung sehr stark durch die Religion bestimmt war, gab es für die Zukunft auch einen klaren Plan. Viel im lebendigen Leben zu erreichen, war nicht unbedingt so von Nöten.
6. Psychologien haben nach Gaub meist Erklärungen aus der Vergangenheit (Lerntheorie, Psychoanalyse). Aus meiner Sicht bilden moderne systemische und lösungsorientierte Ansätze hier Ausnahmen. Sie fußen nicht zentral auf der Vergangenheit, als Beispiel der Ansatz von Steve de Shazer.
7. Man kann sein eigenes Zukunftsdenken beeinflussen und ändern. Das ist sicher ein interessanter Punkt und gerade für Menschen mit oben angedeuteten Skriptprozessmustern ein notwendiger Schritt. Aber auch generell gilt in einer krisengeschüttelten Zeit, dass Menschen auch den Dialog untereinander brauchen, um Hoffnung und Zuversicht aufzubauen.
Zeitgeist
Die aktuelle Zeit ist sehr stark durch Krisen gezeichnet. Manchmal bekommt man das Gefühl einer Vorabendstimmung, als wenn ein größerer »Bang« noch bevorsteht. Krisen sind herausfordernde Situationen, die das Leben beeinflussen können. Sie können persönlicher, zwischenmenschlicher oder globaler Natur sein. Sie erfordern oft Entscheidungen und Maßnahmen, um damit umzugehen und daraus zu lernen. Das ist im Übrigen auch eine nutzbare Resilienzdefinition.
Der Zeitgeist gibt eine gedankliche und emotionale Tönung der aktuellen Phase wieder. Zeitgeist ist eines der deutschsprachigen Wörter, die auch den Einzug in den englischsprachigen Raum gefunden haben. Zeitgeist umfasst bestimmte aktuell gerne besprochene Themen, Handlungsweisen, vielleicht auch äußere Ausdrucksstile genauso wie eine bestimmte häufigere Emotion, was von Aufbruchstimmung bis zu Verzweiflung gehen kann.
2. Es gibt nicht »die eine« Zukunft, sondern Zukünfte mit sehr unterschiedlichem Zeithorizont. Es gibt die nächste Sekunde, den nächsten Tag, das nächste Jahr, das, was ein Mensch in seinem Leben noch erleben kann und das über sein Leben Hinausgehende. Diese verschiedenen Zukünfte lassen uns unterschiedlich fühlen. Und Menschen unterscheiden sich vielleicht auch dadurch, wieweit ihr Horizont geht.
3. Menschen in Gegenden mit weniger Wohlstand sind optimistischer bezüglich der Zukunft. Da gibt es einerseits noch was zu erreichen. Da ist noch »Luft nach oben«. Andererseits scheint Wohlstand nicht unbedingt Zufriedenheit und Glück zu garantieren. Man hat auch mehr zu verlieren.
4. Wir haben alle eine unterschiedliche Beziehung zur Zukunft. Wie schon bei den ins Auge gefassten Zeiträumen beschrieben, ist auch die emotionale Tönung von Zukunft unterschiedlich. Zieht man einmal Berne's Skriptprozessmuster heran, so wird ein Mensch mit einem Erst-wenn-Muster ein anderes Gefühl als der mit dem Danach-Skriptmuster haben. »Erst-wenn…« bedeutet, dass man eine Erfüllung immer an bestimmte noch zu erfolgende Bedingungen knüpft. »Erst wenn das Haus abbezahlt ist«. »Erst wenn die Kinder aus dem Haus sind«…..hier gibt es verschiedene angenommene Schwellen. Beim Danach-Skriptmuster droht das Damoklesschwert einer Rechnung, die es irgendwann für aktuelles Wohlergehen noch zu bezahlen gelte, vielleicht weil man über seine Verhältnisse lebt oder weil es einem nach dem eigenen persönlichen unbewussten Lebensplan gar nicht gut gehen darf.
5. Philosophie beschäftigt sich erst seit ca. 300 Jahren mit der Zukunft (vielleicht nicht zufällig mit dem Auftreten von Aufklärung und Kapitalismus). Solange die Welt und ihre Taktung sehr stark durch die Religion bestimmt war, gab es für die Zukunft auch einen klaren Plan. Viel im lebendigen Leben zu erreichen, war nicht unbedingt so von Nöten.
6. Psychologien haben nach Gaub meist Erklärungen aus der Vergangenheit (Lerntheorie, Psychoanalyse). Aus meiner Sicht bilden moderne systemische und lösungsorientierte Ansätze hier Ausnahmen. Sie fußen nicht zentral auf der Vergangenheit, als Beispiel der Ansatz von Steve de Shazer.
7. Man kann sein eigenes Zukunftsdenken beeinflussen und ändern. Das ist sicher ein interessanter Punkt und gerade für Menschen mit oben angedeuteten Skriptprozessmustern ein notwendiger Schritt. Aber auch generell gilt in einer krisengeschüttelten Zeit, dass Menschen auch den Dialog untereinander brauchen, um Hoffnung und Zuversicht aufzubauen.
Zeitgeist
Der Zeitgeist gibt eine gedankliche und emotionale Tönung der aktuellen Phase wieder. Zeitgeist ist eines der deutschsprachigen Wörter, die auch den Einzug in den englischsprachigen Raum gefunden haben. Zeitgeist umfasst bestimmte aktuell gerne besprochene Themen, Handlungsweisen, vielleicht auch äußere Ausdrucksstile genauso wie eine bestimmte häufigere Emotion, was von Aufbruchstimmung bis zu Verzweiflung gehen kann.
Gesellschaftliche Veränderungen
Die Gesellschaft zeigt Anfang der 2020er Jahre interessante Entwicklungen. Von soziologischer Seite werden bestimmte Entwicklungen attestiert. Die Stichworte sind Singularisierung (Reckwitz, 2018) und objektiver Narzissmus (Charim, 2017). Singularisierung bedeutet eine zunehmende Individualisierung in der Gesellschaft, die sich gleichzeitig in einzelnen gesellschaftlichen Gruppen auch in einem gesteigerten individuellen Selbstdarstellungsbedürfnis zeigt, Charim (2022) sieht dies in einer Veränderung psychologischer Grundmuster, die Menschen betreffen. So habe sich in psychoanalytischen Termini formuliert, die Orientierung der Menschen weg vom Über-Ich, einer gesellschaftlich bestimmten Normen gebenden Instanz hin zu einer Orientierung am Ich-Ideal, einer individuell selbstkonstruierten Instanz, verändert. Der Zeitgeist lässt sich gut anhand einzelner Themenbereiche betrachten. Ich habe einmal zwei Zeitgeistthemen herausgenommen: Heimat und Arbeit. Diese Themen sollen im Folgenden exemplarisch in einem aktuellen Zeitbezug betrachtet werden.
Heimat
Zunächst zur Heimat. »Das Thema ist nicht den Rechten zu überlassen«, so Teilnehmer im Workshop beim DGTA-Kongress in Lindau 2023. Es ist ein zutiefst psychologisches Thema. Heimat bezieht sich oft am Anfang auf den Ort, an dem man aufgewachsen ist oder zu dem man eine enge emotionale Bindung hat. Heimat steht für Geborgenheit, Zugehörigkeit und Identität. Es ist ein individuelles Empfinden, das mit Erinnerungen, Kultur und sozialen Beziehungen verbunden ist. Gerade bei großen Flüchtlingsbewegungen in der Welt ist das Heimat- und Beheimatungsthema wieder sehr zentral.
Heimat als Zugehörigkeit
Das »need for recognition« (Berne, 1966) ist definiert als ein Bedürfnis gesehen zu werden. Daraus wird auch ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit abgeleitet (Mountain/Davidson, 2011) also dass man auch zu einer Gruppe dazu gehört, dort eine Rolle spielt, dort wichtig ist. Heimat ist ein spannender Begriff, der lange Zeit ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, aber durch die vielen Flüchtlinge doch wieder ein sehr sehr interessantes Thema geworden ist. Nach dem Krieg, nach 1945 durch die Flüchtlinge in Deutschland, hatte man auch sehr stark mit dem Heimathema zu tun. Die sogenannten Vertriebenen wie es damals hieß, haben sich sehr dafür eingesetzt, wieder irgendwann zurückgehen zu können. Diese Orientierung war eine Zeit lang sehr virulent. Ständig trafen sich irgendwelche Verbände. Aber man merkte, wie den Menschen dieses Thema am Herzen lag. Das ist dann irgendwann ruhiger geworden, so in 70er Jahren. Heute ist durch die Flüchtlingsthematik das Thema Heimat wieder sehr interessant geworden. Deshalb beschäftigen wir uns auch damit.
Was macht denn für uns selbst Heimat aus? Auch unter dem transaktionsanalytischen Gesichtspunkt: Warum ist Heimat wichtig? Das erste, was natürlich einfällt bei Heimat, ist die Zeit oder die Region, in der wir aufgewachsen sind. Das ist oft mit Heimat verbunden. Gleichzeitig hat Heimat aber auch eine ganze Menge anderer Aspekte, die vielleicht eine Rolle spielen, insbesondere Beziehungen. Dabei hat Heimat sehr viel mit Sinnesreizen zu tun, wenn wir uns an diese Ursprungsinhalte, die wir hatten, zurückerinnern. Dann können wir uns an bestimmtes Essen erinnern, an das, was wir dort an Gerüchen hatten. Ein Beispiel aus meiner Kindheit: Wenn samstags nachmittags gebadet wurde - es gab noch keine Kanalisation in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin - gab es den bestimmten Geruch draußen auf der Straße, weil das Badewasser in den Straßen an den Seiten herunterlief und das hatte was ganz Charakteristisches. Ich weiß nicht, warum ich mir dieses zweifelhafte Geruchsbeispiel gemerkt habe. Aber von den Gerüchen her hat jeder von uns auch sicherlich die Erinnerung an ein Lieblingsessen, das er mit seinem Heimatort verbindet, was dort typisch war. Für mich als Moselaner ist natürlich auch sehr in Erinnerung, wenn die Trauben gelesen wurden, im Herbst dieser Geruch, der dann überall war, durch den Trester von den gepressten Trauben. Das lag über ein bis zwei Wochen richtig in der Luft.
Mehrere Heimaten
Heimaten, Plural, können auch ganz unterschiedliche Orte sein. Es kann etwas zu tun haben mit der eigenen Familie genauso aber auch mit einer Professionsgruppe, etwa den Transaktionsanalytikern als einer Heimatgruppe. Es kann irgendein anderer Zusammenhang sein, wo ich mit Leuten in einer bestimmten Beziehung bin und die ich gerne sehe. Wenn ich mit denen zusammen bin, dann fühle ich mich zugehörig und angekommen. Hier haben wir wieder den wesentlichen Teil dieses Themas: Zugehörigkeit. Den Zusammenhang zwischen Anerkennung und Zugehörigkeit hatten wir schon. Es hat natürlich auch mit dem Grundbedürfnis nach Struktur zu tun, dass ich irgendwie einen Ort bei mir sehe, wo ich verwurzelt bin, verankert bin.
Heimatdynamiken
Weiterhin ist es auch eine interessante Frage, welche Dynamiken bei Heimat eine Rolle spielen. Eine Dynamik ist zum Beispiel Heimweh. Sie können sich Fragen stellen wie:
Da kommen wir auch noch zu einem weiteren interessanten Punkt. Ich glaube, mit zunehmendem Alter ist gar nicht so sehr der Ort das entscheidende. Sondern da kommt die Beziehungsqualität in den Vordergrund, dass man dort beheimatet ist, wo Menschen sind, mit denen man in einer guten Beziehung ist, mit denen man gerne zusammen sein will.
Heimat als Zugehörigkeit
Was macht denn für uns selbst Heimat aus? Auch unter dem transaktionsanalytischen Gesichtspunkt: Warum ist Heimat wichtig? Das erste, was natürlich einfällt bei Heimat, ist die Zeit oder die Region, in der wir aufgewachsen sind. Das ist oft mit Heimat verbunden. Gleichzeitig hat Heimat aber auch eine ganze Menge anderer Aspekte, die vielleicht eine Rolle spielen, insbesondere Beziehungen. Dabei hat Heimat sehr viel mit Sinnesreizen zu tun, wenn wir uns an diese Ursprungsinhalte, die wir hatten, zurückerinnern. Dann können wir uns an bestimmtes Essen erinnern, an das, was wir dort an Gerüchen hatten. Ein Beispiel aus meiner Kindheit: Wenn samstags nachmittags gebadet wurde - es gab noch keine Kanalisation in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin - gab es den bestimmten Geruch draußen auf der Straße, weil das Badewasser in den Straßen an den Seiten herunterlief und das hatte was ganz Charakteristisches. Ich weiß nicht, warum ich mir dieses zweifelhafte Geruchsbeispiel gemerkt habe. Aber von den Gerüchen her hat jeder von uns auch sicherlich die Erinnerung an ein Lieblingsessen, das er mit seinem Heimatort verbindet, was dort typisch war. Für mich als Moselaner ist natürlich auch sehr in Erinnerung, wenn die Trauben gelesen wurden, im Herbst dieser Geruch, der dann überall war, durch den Trester von den gepressten Trauben. Das lag über ein bis zwei Wochen richtig in der Luft.
Mehrere Heimaten
Heimatdynamiken
Wie haben Sie schon mal Heimweh erlebt an irgendeiner Stelle in Ihrem Leben?
Wie sind sie selber mal aus einer Heimat vertrieben worden?
Wie haben sie sich mal heimatlos gefühlt?
Waren sie mal irgendwann in einem Status in der Lebensphase, wo sie sagen jetzt habe ich überhaupt keine Heimat, ich weiß gar nicht wo ich hingehöre?
Da kommen wir auch noch zu einem weiteren interessanten Punkt. Ich glaube, mit zunehmendem Alter ist gar nicht so sehr der Ort das entscheidende. Sondern da kommt die Beziehungsqualität in den Vordergrund, dass man dort beheimatet ist, wo Menschen sind, mit denen man in einer guten Beziehung ist, mit denen man gerne zusammen sein will.
Eigene Folgerungen
Also, es gibt jede Menge von Anknüpfungspunkten psychologischer Natur, die wir bei Heimat haben. Vielleicht ist das für Sie selber auch ein Anknüpfungspunkt also ein Impuls, sich selber mit dieser Frage mal zu beschäftigen, sich vielleicht eine Meditation zu gönnen und zu sagen, ich setze mich eine halbe Stunde hin und denke darüber nach: Wo sind denn meine Heimaten? Wo sind sie gewesen? Was ist die Heimat für mich? Wie viel tue ich in Solidarität für die Menschen, die ihre Heimat verloren haben oder zurzeit verlieren?
Gute Gestaltung der Arbeit übt Demokratie ein
Nun zum zweiten Punkt. Wirtschaft und Psychologie begegnen sich im Thema Arbeit. Hier zeigt Axel Honneth von der Frankfurter Schule wichtige Erkenntnisse auf. Er ist Repräsentant der dritten Generation der Frankfurter Schule nach Adorno und Habermas und hatte sich mit dem Thema »Kampf um Anerkennung« schon viele Meriten verdient. Damit hatte er für die TA mit ihrem Anerkennungsbedürfnis eine lesenswerte Ergänzung gebracht.
»Der arbeitende Souverän« bringt nun eine ganz interessante Verknüpfung. Das Credo ist: Arbeit und ihre Gestaltung sind total entscheidend dafür, wie Demokratie funktioniert. Menschen müssen an Arbeit beteiligt sein, im und am Arbeitsprozess mitwirken. Das gibt Erfahrungen für Demokratie.
Honneth hebt dazu in seiner Argumentation ganz verschiedene Aspekte hervor, die sehr wichtig sind. Der erste Aspekt ist natürlich die materielle, die wirtschaftliche Seite von Arbeit. Menschen müssen in der Lage sein, sich ihr Auskommen zu finanzieren, gesichert sein. Ein zweiter Aspekt, den er heranführt, ist das Thema der Psychologie. Es bedeutet, dass Arbeit Selbstwirksamkeit produziert. In dem Moment, wo ich arbeite, erstelle ich irgendwas, bin selbstwirksam. Ein zentraler Aspekt, den er für seine Argumentation nennt, besteht in der soziologischen Seite. In dem Moment, wenn ich Menschen in den Arbeitsprozess mit hineinnehme, kommen diese auch in Kontakt mit anderen Menschen, anderen Gruppen, anderen Kulturen. Gerade bei den verschiedenen Blasen, die es heute gibt in der Gesellschaft, stellt sich die Frage, wie kommen Menschen überhaupt noch zueinander, wo begegnen sie sich, wenn alle zu Hause sitzen in ihrem Homeoffice und nichts mehr miteinander zu tun haben?
Es wäre danach auch keine Lösung, wenn alle bedingungsloses Grundeinkommen hätten und es keine Begegnung der Menschen mehr gäbe. Da ist etwas sehr Zentrales, was Arbeit leistet. Wenn man die Menschen alle vereinzelt, innerhalb ihrer Blasen lässt, dann hat man den Aspekt des Zusammenkommens nicht mehr.
Gute Gestaltung der Arbeit übt Demokratie ein
»Der arbeitende Souverän« bringt nun eine ganz interessante Verknüpfung. Das Credo ist: Arbeit und ihre Gestaltung sind total entscheidend dafür, wie Demokratie funktioniert. Menschen müssen an Arbeit beteiligt sein, im und am Arbeitsprozess mitwirken. Das gibt Erfahrungen für Demokratie.
Honneth hebt dazu in seiner Argumentation ganz verschiedene Aspekte hervor, die sehr wichtig sind. Der erste Aspekt ist natürlich die materielle, die wirtschaftliche Seite von Arbeit. Menschen müssen in der Lage sein, sich ihr Auskommen zu finanzieren, gesichert sein. Ein zweiter Aspekt, den er heranführt, ist das Thema der Psychologie. Es bedeutet, dass Arbeit Selbstwirksamkeit produziert. In dem Moment, wo ich arbeite, erstelle ich irgendwas, bin selbstwirksam. Ein zentraler Aspekt, den er für seine Argumentation nennt, besteht in der soziologischen Seite. In dem Moment, wenn ich Menschen in den Arbeitsprozess mit hineinnehme, kommen diese auch in Kontakt mit anderen Menschen, anderen Gruppen, anderen Kulturen. Gerade bei den verschiedenen Blasen, die es heute gibt in der Gesellschaft, stellt sich die Frage, wie kommen Menschen überhaupt noch zueinander, wo begegnen sie sich, wenn alle zu Hause sitzen in ihrem Homeoffice und nichts mehr miteinander zu tun haben?
Es wäre danach auch keine Lösung, wenn alle bedingungsloses Grundeinkommen hätten und es keine Begegnung der Menschen mehr gäbe. Da ist etwas sehr Zentrales, was Arbeit leistet. Wenn man die Menschen alle vereinzelt, innerhalb ihrer Blasen lässt, dann hat man den Aspekt des Zusammenkommens nicht mehr.
Das Pragmatische der Arbeit als Voraussetzung für Demokratieprozesse
Ein weiterer Gesichtspunkt zur Arbeit ist das Pragmatische. Um Demokratie funktionieren zu lassen, braucht es auch eine bestimmte Form von Arbeit oder Arbeitsgestaltung. Das heißt, dass die Menschen tatsächlich in den Arbeitsprozessen - ist ja heute auch in den agilen und modernen Arbeitsorganisationen ein ziemlich zentraler Punkt - lernen, tatsächlich mit gemeinsamen Entscheidungsprozessen umzugehen, zu verhandeln, Einfluss zu nehmen. Man hat jetzt ja gerade wieder gehört, wie viele Großprojekte IT-mäßig wieder gescheitert sind. Das kommt ja auch nicht nur davon, dass die Leute tatsächlich dieses von der Technik her nicht hinkriegen, sondern dass sie merken, wenn die Arbeit tatsächlich so stark gesteuert ist von der IT, dann habe ich keine Beteiligungsform mehr. Da wird sich der autonome Mitarbeiter, der Gestaltungsspielraum und Freiraum haben möchte, gegen wenden. Wenn diese Komponenten zusammenkommen, dann hat man Voraussetzungen dafür, dass Leute lernen, auch in der Demokratie mitzuwirken. Es ist eine Grundlage für Demokratie, dass Gesellschaft zusammenhält und dass Menschen dann auch mitwirken können.
Kritische Wertung
Ich habe allerdings zwei Kritikpunkte am von Honneth vorgelegten Konzept. Der erste Kritikpunkt ist schon mal die Auseinanderentwicklung des Arbeitens in Unternehmen und Organisationen einerseits und dem, was im organisierten parlamentarischen Politiksystem passiert. Wenn jemand nicht aus dem Verwaltungsbereich kommt oder keine juristische Ausbildung besitzt, dann ist er Parlamentarier zweiter Klasse von vorne herein. Weil die ganzen Abläufe oder die Prozesse, die dort stattfinden mittlerweile so geregelt sind und zwar so sehr bürokratisch, ist Einflussnahme vieler Menschen kaum noch möglich. Da kann man in die Parlamente hineinschauen, wie viele Leute mit bestimmten Grundausbildungen dort sitzen und wie viele Leute aus normalen Berufen kommen oder auch Unternehmer sind. In den Parlamenten tätig ist der Berufspolitiker. Der hat sich zeitweise weit weg entwickelt von dem, was die Lebenswirklichkeit ist. So ist die Erfahrung aus Arbeitsprozessen nicht hinreichend für demokratische Prozesse. Da müssen erst einige Reformen her.
Zudem sind Arbeitsprozesse in vielen Bereichen durch die IT auch vorgegeben, dass da auch eine Transformation von Arbeitsprozessen stattfindet. Die KI kommt als besonderes Beispiel hinzu. Die Grundthese von Honneth - er hat ja die alte marxistische Grundlage auch der Kritischen Theorie in der Frankfurter Schule - ist, dass Arbeit etwas zentral Wichtiges ist, dass wir Arbeit brauchen und dass Menschen sich darin verwirklichen, beteiligen lernen und auch Gesellschaft zusammenführen. Die Frage stellt sich hier, wie sehr dies für sich anbahnende, zukünftige Arbeitswelten noch gelten wird. Dennoch finde ich »Arbeit als eine Schule der Demokratie« einen ganz wesentlichen Punkt für die Diskussion gesellschaftlicher Strukturen.
Minimalismus-Frugalismus und Arbeit
Ich bin auch ein Fan von Minimalismus und Frugalismus. Das hat auch viel damit zu tun, dass Leute eher frei arbeiten, sich nicht in Organisationen einfügen. Dennoch ich habe immer, als ich noch in meiner klinischen Arbeit war oder auch im Coaching dafür gesorgt oder Leuten empfohlen, sich wirklich in diese Prozesse der Arbeit mit anderen auch hineinzubegeben, in Teams, weil das auch für die Persönlichkeitsentwicklung eine wichtige Geschichte ist. Man entwickelt seine Persönlichkeit nicht dadurch, dass man sich zurückzieht, zu Hause sitzt und für sich was macht, selbst wenn man durch ein bedingungsloses Grundeinkommen alimentiert wäre. Das glaube ich, sollte man an der Stelle noch mal deutlich überlegen. Also Minimalismus-Frugalismus auf der einen Seite als ein sicherlich bescheidenes Leben ist für die Ökologie heute was ganz Zentrales, auch um diesen Entwicklungsoptimismus zu entwickeln. Es bezieht sich auf die positive Einstellung und den Glauben daran, dass sich die Dinge zum Besseren wenden können. Optimistische Menschen neigen dazu, Schwierigkeiten als vorübergehend anzusehen und Lösungen zu suchen, anstatt sich von ihnen entmutigen zu lassen. Ein optimistischer Blick kann helfen, Herausforderungen zu bewältigen und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
Kritische Wertung
Zudem sind Arbeitsprozesse in vielen Bereichen durch die IT auch vorgegeben, dass da auch eine Transformation von Arbeitsprozessen stattfindet. Die KI kommt als besonderes Beispiel hinzu. Die Grundthese von Honneth - er hat ja die alte marxistische Grundlage auch der Kritischen Theorie in der Frankfurter Schule - ist, dass Arbeit etwas zentral Wichtiges ist, dass wir Arbeit brauchen und dass Menschen sich darin verwirklichen, beteiligen lernen und auch Gesellschaft zusammenführen. Die Frage stellt sich hier, wie sehr dies für sich anbahnende, zukünftige Arbeitswelten noch gelten wird. Dennoch finde ich »Arbeit als eine Schule der Demokratie« einen ganz wesentlichen Punkt für die Diskussion gesellschaftlicher Strukturen.
Minimalismus-Frugalismus und Arbeit
Literaturverzeichnis
Berne, E. (1975): Was sagen Sie, nachdem Sie »Guten Tag« gesagt haben? Psychologie des menschlichen Verhaltens. München: Kindler
Charim, I. (2022): Die Qualen des Narzissmus, Wien: Paul Zsolnay Verlag
Honneth, A. (2022): Der arbeitende Souverän, Berlin: Suhrkamp.
Mountain, A. & Davidson, C. (2011): Working together, Surrey/UK: Gower.
Mohr, G. (2020): Einführung in die systemische Transaktionsanalyse von Individuum und Organisation, Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.
Mohr, G. (2022): Transaktionsanalyse für die Politik, Hamburg: Tredition.
Reckwitz, A. (2018): Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. 5. Auflage. Berlin Suhrkamp.
Günther Mohr
Dipl.-Psych. / Dipl.-Volksw., Senior Coach DBVC / Senior Coach & Supervisor BDP, Scrum-Master/ Zen-Lehrer, Psychologischer Psychotherapeut
www.mohr-coaching.de
youtube.com/user/GuentherMohr
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