artikelfebruar2023
Vertrauen in die eigene Kraft
// Autorin: Eva Bobst //
Erfahrung von Selbstwirksamkeit bei beeinträchtigten Lernprozessen in der Schule.
In meiner langjährigen Tätigkeit als schulische Heilpädagogin arbeite ich auch mit Kindern mit der Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung gearbeitet. Diese Kinder in ihrer Kommunikation zu unterstützen und sie zu einer guten Selbstwirksamkeit zu führen sind mir wichtige Ziele. Selbstwirksamkeit setzt Vertrauen in sich selbst und Vertrauen in die Beziehung zu den Bezugspersonen voraus. Als integrativ arbeitende Heilpädagogin in der Regelschule halte ich mich auch an den Lehrplan 21, wenn ich den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung als Schwerpunkt in meiner pädagogischen Arbeit setze.
Im Folgenden beschreibe ich, wie ich mit den TA-Konzepten der Vertragsarbeit, des funktionalen Ich-Zustandsmodells und des Functional-Fluency Modells Vertrauen und Selbstwirksamkeit bei den Schulkindern fördere Im Weiteren zeige ich auf, wie ich diese TA-Konzepte mit der Marte-Meo-Methode und dem TEACCH-Ansatz verbinde.
«Mit der Ausrichtung an Kompetenzen geht der Lehrplan 21 über die Formulierung von stoffinhaltlichen Vorgaben hinaus.» «Die Facetten von Kompetenzen sind sowohl fachlicher als auch überfachlicher Natur.» « Mit überfachlichen Kompetenzen ist jenes Wissen und Können gemeint, das über die Fachbereiche hinweg für das Lernen in und ausserhalb der Schule eine wichtige Rolle spielt.»
Neben den Kompetenzen werden auch die Rolle des Lehrers und des Schülers in der Einleitung festgehalten. «Auch in einem Unterricht, der sich am Erwerb von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen orientiert, sind Lehrpersonen absolut zentral.» «Dabei ist eine Beziehung zwischen Lehrperson und Kind, die auf persönlicher Zuwendung, gegenseitigem Respekt und Vertrauen basiert, grundlegend.»
«Durch den Aufbau eines Repertoires von Lernstrategien und der Fähigkeit, ihr Lernen zu reflektieren, erfahren sich Schülerinnen und Schüler idealerweise als zunehmend kompetent und handlungsfähig (selbstwirksam)…»(1)
Besonders anspruchsvoll ist der Aufbau einer Beziehung zu Schülerinnen und Schülern mit der Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung. Darunter versteht man eine neurologische Störung, die tiefgreifende Entwicklungsstörungen betreffen kann. Diese Entwicklungsstörungen können unterschiedlich stark und in unterschiedlichen Formen auftreten. Menschen aus dem Autismus-Spektrum weisen einige Gemeinsamkeiten auf. Diese betreffen den Kernbereich der Funktionsstörung, die sogenannte Symptom-Triade:
Zum Aufbau von Vertrauen bei Regelklassenschülern und im Besonderen bei Kindern mit der Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung können sich neben den Konzepten der TA auch Konzepte von Marte Meo und der TECCH Ansatz als hilfreich erweisen.
Die Grundlage der Arbeit mit TA sind klare Abmachungen (Verträge) und eine freie und offene Kommunikation. Dies dient in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern der konkreten Umsetzung der oben erwähnten Grundüberzeugungen.
Die Haltung von Marte Meo lässt sich neben der eigentlichen Beratung von Lehrpersonen, Eltern und Schülern auch auf die tägliche Arbeit mit den Schulkindern anwenden. Einzelne Handlungen (Initiativen) der Kinder werden benannt. Unter Handlung (Initiative) wird eine beobachtbare Aktion einer Person verstanden. Als Lehrperson oder Heilpädagogin „benenne“ ich dann diese Handlung oder Initiative. Ich teile meine Beobachtung ohne Interpretation mit. Auf dieses Weise erhalten die Kinder Worte und Bestätigung für ihre Handlung. Sie fühlen sich wahrgenommen und ihre kommunikativen Fähigkeiten werden erweitert. Es können auch Handlungen von anderen Personen (Mitschülern, Lehrpersonen) benannt werden, was wiederum zur Verbesserung der Kommunikation beiträgt.
Die gute Kommunikation dient dem Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen den Schülern/Schülerinnen und den Lehrpersonen/Heilpädagogen. Die pädagogischen Fachpersonen sind verantwortlich für den Aufbau und die Aufrechterhaltung dieses positiven Kontakts. Ganz im Sinne der humanistischen Psychologie steht hinter Marte Meo die Grundüberzeugung, dass alle Kinder und damit auch Kinder mit speziellen Bedürfnissen grundsätzlich gut sind und soziales Lernen gefördert werden kann. Die guten Handlungsmöglichkeiten werden benannt und weiterentwickelt. In der Bezeichnung „Marte Meo“ vom lateinischen „aus eigener Kraft“ kommt im Weiteren zum Ausdruck, dass die Eigenverantwortung der Kinder gestärkt wird.
Während der Erwachsenen-Ich Zustand neutral bleibt, können sowohl der kritische und der fürsorgliche Eltern-Ich Zustand als auch der Ich-Zustand des angepassten und des freien Kindes positive und negative Aspekte aufweisen. Dies beschreibt Susanne Tempel im „Funktional-Fluency-Model“ sehr anschaulich.
An die Stelle des ER tritt der „Accounting-Modus“. Das Wort „Accounting“ lässt sich nicht eins zu eins auf deutsch übersetzen. Es kann umschrieben werden mit analysieren, prüfen, vermitteln/übermitteln. Damit wird betont, dass in diesem Modus die Transaktionen, die in einem Lernprozess ablaufen von der pädagogischen Fachperson verarbeitet und daraus pädagogische Interventionen abgeleitet werden. Der Modus der Kontrolle entspricht dem kritischen EL, jener der Fürsorge dem fürsorglichen EL. Der Modus des sozialen Selbst entspricht dem angepassten Kind und das natürliche Selbst dem freien Kind. Ziel der pädagogischen Interventionen ist es dabei, dass die Heilpädagogin in erster Linie den Accounting-Modus besetzt und aus diesem Modus dann entweder den Modus der positiven Kontrolle oder der positiven Fürsorge wählt. So wird der Schüler oder die Schülerin eingeladen, ihrerseits ihr Verhalten mit dem Accounting-Modus zu kontrollieren und jeweils die positiven Aspekte der übrigen Modi anzusteuern.
– Beispiel für die Arbeit mit dem Functional-Fluency-Modell und mit der Marte-Meo-Methode –
Die Arbeit mit den Prinzipien von Marte Meo lässt sich gut anhand des „Functional-Fluency-Modells“ illustrieren. In meiner Rolle als Heilpädagogin besetze ich den Accounting-Modus und beginne den Unterricht mit positiver Fürsorge (freundliche Begrüssung, Smalltalk). Damit baue ich Kontakt auf und schaffe eine gute Atmosphäre. Durch das Benennen der Handlungen des Schülers bleibe ich in der Rolle der neutralen Beobachterin (Accounting Modus) und im nährenden Modus. Das Kind fühlt sich beachtet und gesehen. Im nächsten Schritt (Positive Kontrolle) strukturiere und leite ich das Unterrichtsgeschehen, indem ich Fragen zum Lernprozess stelle:
Was machst du? Wann machst du das? Wozu ist das gut? Bei neuen Lerninhalten können auf diese Weise auch Instruktionen gegeben werden.
Für die Schülerin Elisa mit der Diagnose einer Autismus Spektrum Störung war es auch im 6. Schuljahr noch schwierig in der Mathematik Aufgaben zur Proportionalität zu lösen. Bei der Besprechung der Hausaufgaben zum Thema „Berechnen von Preisen“ habe ich zuerst die Handlung benannt, die sie zu Hause gemacht hat. Ich sagte ihr: „Du hast hier die Zahlen aus dem Buch untereinander ins Heft geschrieben.“ Dann habe ich Elisa anhand der drei Fragen (was, wann, wozu) gebeten zu erklären, wie sie die Aufgabe gelöst hat. Sie hatte eine gute Lösung gefunden, um mit dem separaten Berechnen der Franken- und dann der Rappenbeträge die zusätzliche Schwierigkeit des Dezimalsystems zu meistern und zu einem Resultat zu gelangen. Dass sie ihr Vorgehen genau erklären konnte (Accounting Modus), war für sie sehr motivierend. Sie war in diesem Moment ganz in ihrem positiven natürlichen Selbst und benötigte keine zusätzliche Bestätigung, ausser einem freundlichen Blickkontakt und „Daumen nach oben“.
Diesen hier beschriebenen Filmausschnitt habe ich in einem Review mit der Schülerin angeschaut und besprochen. In der Regel führe ich die meisten Unterrichtsgespräche auf diese Weise, indem ich die Handlungen der Kinder benenne und W-Fragen stelle. So arbeite ich auch, wenn ich nicht filme und ein kein Review plane.
Die Vertragsarbeit gemäss TA kann mit Hilfe von Lernverträgen in allen schulischen Situationen angewendet werden: für kurze Unterrichtsequenzen, für einzelne Lektionen, für Lektionsreihen, für ein ganzes Schuljahr und für den Erwerb von fachlichen wie auch überfachlichen Kompetenzen.
Für eine effiziente Vertragsarbeit gilt es einige Punkte zu beachten: Ein Vertragsziel soll in positiven Worten formuliert sein und klare Handlungsanweisungen enthalten. Das Ziel soll vom Schüler aus eigener Kraft erreichbar und die Zielerreichung soll einfach zu erkennen und zu beobachten sein. Daraus ergibt sich, dass Ziele überprüft und wenn nötig durch einen neuen Vertrag auch angepasst werden können.
Ein wichtiger Aspekt der Vertragsarbeit ist die Stärkung des ER (Funktionsmodell) oder des Accountig-Modus (Functional fluency model) beim Schüler oder der Schülerin. Das Wählen, Analysieren und Prüfen von Zielen ermöglicht dem Schulkind die Erfahrung der Selbstwirksamkeit.
– Beispiel für die Arbeit mit Verträgen nach TA und dem TEACCH Ansatz –
Mit Elisa wurde der Beginn der Lektion oft auf die gleiche Art gestaltet. Die verschiedenen Arbeitsaufgaben lagen auf einem Tisch bereit und waren mit Kärtchen gekennzeichnet. Ich stellte die einzelnen Arbeiten vor und sprach mit Elisa ab, wie viele Aufgaben sie pro Lerneinheit lösen wolle, oder wie lange sie eine Aufgabe bearbeiten wolle. Zusätzlich konnte Elisa auch die Reihenfolge der Arbeitsaufgaben wählen. Nach Möglichkeit erhielt Elisa auch Vorlagen, damit sie die Aufgaben selbst korrigieren konnte. Während der Arbeitsphase hielt ich mich Hintergrund, war aber auf Anfrage für Hilfestellungen verfügbar. Am Ende der Lektion wurde besprochen, wie die Arbeit vorangegangen war und ob es noch Fragen gab. Dann wurde abgemacht, wie es weiter geht. Ob nochmals eine Aufgabe durchgearbeitet werden sollte, oder ob es in der nächsten Lektion neue Aufgaben brauchen würde.
Zusätzlich wurden die Arbeitsaufgaben auch gemäss dem TEACCH-Ansatz gestaltet:
Die Schülerin Elisa, die während 6 Schuljahren von mir betreut wurde, erlangte im Laufe der Jahre eine grosse Selbständigkeit. Die Vertragsarbeit half ihr sich eigene Ziele zu setzen. Die Arbeitsinstrumente nach TEACCH unterstützten sie bei der Arbeitsorganisation und dem Überprüfen der Zielerreichung.
Das positive Menschenbild, die +/+ Haltung und weitere Konzepte der TA bilden für mich eine gute Grundlage, um mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen an ihrer Selbstwirksamkeit zu arbeiten. Zusätzlich finde ich auch in der Marte Meo Methode und dem TEACCH Ansatz diese positive Grundhaltung. Das heisst, die Arbeit mit dem Kind beginnt an jener Stelle, an der seine Stärken und der eigene Antrieb liegen, von dort aus führt der Weg weiter.
Im Folgenden beschreibe ich, wie ich mit den TA-Konzepten der Vertragsarbeit, des funktionalen Ich-Zustandsmodells und des Functional-Fluency Modells Vertrauen und Selbstwirksamkeit bei den Schulkindern fördere Im Weiteren zeige ich auf, wie ich diese TA-Konzepte mit der Marte-Meo-Methode und dem TEACCH-Ansatz verbinde.
Lehrplan 21
Der Aufbau einer Beziehung, die von gegenseitigem Vertrauen gekennzeichnet ist, erscheint im Schulalltag grundlegend für die Arbeit der Lehrpersonen mit Schülerinnen und Schülern. So finden sich auch in der Einleitung zum Lehrplan 21 die Schlüsselwörter «Vertrauen» und «Selbstwirksamkeit».«Mit der Ausrichtung an Kompetenzen geht der Lehrplan 21 über die Formulierung von stoffinhaltlichen Vorgaben hinaus.» «Die Facetten von Kompetenzen sind sowohl fachlicher als auch überfachlicher Natur.» « Mit überfachlichen Kompetenzen ist jenes Wissen und Können gemeint, das über die Fachbereiche hinweg für das Lernen in und ausserhalb der Schule eine wichtige Rolle spielt.»
Neben den Kompetenzen werden auch die Rolle des Lehrers und des Schülers in der Einleitung festgehalten. «Auch in einem Unterricht, der sich am Erwerb von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen orientiert, sind Lehrpersonen absolut zentral.» «Dabei ist eine Beziehung zwischen Lehrperson und Kind, die auf persönlicher Zuwendung, gegenseitigem Respekt und Vertrauen basiert, grundlegend.»
«Durch den Aufbau eines Repertoires von Lernstrategien und der Fähigkeit, ihr Lernen zu reflektieren, erfahren sich Schülerinnen und Schüler idealerweise als zunehmend kompetent und handlungsfähig (selbstwirksam)…»(1)
Vertrauen als Voraussetzung der pädagogischen Arbeit
Im Zentrum der pädagogischen Arbeit steht eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern. Dies gilt sowohl für Kinder und Jugendliche im Regelschulbereich als auch für Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen. In einem integrativen Schulmodell profitieren alle Kinder von der erhöhten Aufmerksamkeit und Kompetenz der Lehrpersonen und der Heilpädagogen und Heilpädagoginnen. Lernprozesse werden in diesem Rahmen sorgfältig und bewusst gestaltet.Besonders anspruchsvoll ist der Aufbau einer Beziehung zu Schülerinnen und Schülern mit der Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung. Darunter versteht man eine neurologische Störung, die tiefgreifende Entwicklungsstörungen betreffen kann. Diese Entwicklungsstörungen können unterschiedlich stark und in unterschiedlichen Formen auftreten. Menschen aus dem Autismus-Spektrum weisen einige Gemeinsamkeiten auf. Diese betreffen den Kernbereich der Funktionsstörung, die sogenannte Symptom-Triade:
Beeinträchtigung in der sozialen
InteraktionBeeinträchtigung in der Kommunikation
Eingeschränkte und stereotype
Interessen und AktivitätenZum Aufbau von Vertrauen bei Regelklassenschülern und im Besonderen bei Kindern mit der Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung können sich neben den Konzepten der TA auch Konzepte von Marte Meo und der TECCH Ansatz als hilfreich erweisen.
Grundüberzeugungen der TA
Die wichtigste Überzeugung der TA besagt, dass die Menschen in Ordnung, okay (ok) sind. Daraus ergibt sich dann die +/ + Haltung, ich bin ok / du bist ok. Auf dieser vertrauensfördernden Haltung bauen die weiteren Grundüberzeugungen auf:Jeder Mensch, jedes Kind kann entsprechen seiner angeborenen Fähigkeiten denken und ist folglich lern- und veränderungsfähig.
Jeder Mensch, jedes Kind kann im Rahmen seiner Möglichkeiten Entscheidungen treffen und die Verantwortung für sich selbst übernehmen.
Die Grundlage der Arbeit mit TA sind klare Abmachungen (Verträge) und eine freie und offene Kommunikation. Dies dient in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern der konkreten Umsetzung der oben erwähnten Grundüberzeugungen.
Die Marte-Meo-Methode
Die Marte-Meo-Methode ist grundsätzliche eine videobasierte Beratungsmethode. Der Schüler oder die Schülerin wird im schulischen Umfeld oder auch zu Hause gefilmt. Die Marte Meo Therapeutin wählt dann kurze Sequenzen aus, die bezüglich der Zielsetzung (hier Selbstwirksamkeit) positive Verhaltensweisen des Schulkinds enthalten. Im sogenannten Review werden dem Schüler einzelne Filmsequenzen gezeigt, mit dem Ziel, dass er seine positiven Verhaltensweisen selbst wahrnehmen und würdigen kann.Die Haltung von Marte Meo lässt sich neben der eigentlichen Beratung von Lehrpersonen, Eltern und Schülern auch auf die tägliche Arbeit mit den Schulkindern anwenden. Einzelne Handlungen (Initiativen) der Kinder werden benannt. Unter Handlung (Initiative) wird eine beobachtbare Aktion einer Person verstanden. Als Lehrperson oder Heilpädagogin „benenne“ ich dann diese Handlung oder Initiative. Ich teile meine Beobachtung ohne Interpretation mit. Auf dieses Weise erhalten die Kinder Worte und Bestätigung für ihre Handlung. Sie fühlen sich wahrgenommen und ihre kommunikativen Fähigkeiten werden erweitert. Es können auch Handlungen von anderen Personen (Mitschülern, Lehrpersonen) benannt werden, was wiederum zur Verbesserung der Kommunikation beiträgt.
Die gute Kommunikation dient dem Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen den Schülern/Schülerinnen und den Lehrpersonen/Heilpädagogen. Die pädagogischen Fachpersonen sind verantwortlich für den Aufbau und die Aufrechterhaltung dieses positiven Kontakts. Ganz im Sinne der humanistischen Psychologie steht hinter Marte Meo die Grundüberzeugung, dass alle Kinder und damit auch Kinder mit speziellen Bedürfnissen grundsätzlich gut sind und soziales Lernen gefördert werden kann. Die guten Handlungsmöglichkeiten werden benannt und weiterentwickelt. In der Bezeichnung „Marte Meo“ vom lateinischen „aus eigener Kraft“ kommt im Weiteren zum Ausdruck, dass die Eigenverantwortung der Kinder gestärkt wird.
TA: Die funktionelle Analyse der Ich-Zustände
Ein grundlegendes Konzept der Transaktionsanalyse ist das Ich-Zustandsmodell. Es werden drei Ich-Zustände definiert: EL (Eltern-Ich), ER (Erwachsenen-Ich) und K (Kind-Ich). Diese drei Ausdrücke werden wie Etiketten verwendet, um die drei unterschiedlichen Komplexe von Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen zu benennen, welche die menschliche Persönlichkeit ausmachen. Im Funktionsmodell wird beschrieben, wie sich diese drei Ich-Zustände jeweils im Verhalten beobachten lassen. Der Erwachsenen-Ich Zustand entspricht einem Verhalten, Denken und Fühlen, das im Hier und Jetzt begründet ist. Der Eltern-Ich Zustand wird in zwei Aspekte unterteilt, einerseits das kritische Eltern-Ich und andererseits das fürsorgliche oder auch nährende Eltern-Ich. Beim Kind-Ich unterscheidet man auch zwei Ausprägungen, nämlich das angepasste Kind-Ich und das freie Kind-Ich. Jeder Mensch befindet sich immer in einem dieser Ich-Zustände und bewegt sich, oft ohne es zu bemerken, von einem in den anderen Ich-Zustand.Während der Erwachsenen-Ich Zustand neutral bleibt, können sowohl der kritische und der fürsorgliche Eltern-Ich Zustand als auch der Ich-Zustand des angepassten und des freien Kindes positive und negative Aspekte aufweisen. Dies beschreibt Susanne Tempel im „Funktional-Fluency-Model“ sehr anschaulich.
TA: Das Functional-Fluency-Modell
Susanne Temple hat auf der Grundlage des Ich-Zustandsmodells ein entsprechendes Konzept des menschlichen Handelns entworfen, das „Functional-Fuency-Modell“. Dieses eignet sich gut, um aufzuzeigen, wie sich pädagogische Prozesse mit der Besetzung des ER steuern lassen.An die Stelle des ER tritt der „Accounting-Modus“. Das Wort „Accounting“ lässt sich nicht eins zu eins auf deutsch übersetzen. Es kann umschrieben werden mit analysieren, prüfen, vermitteln/übermitteln. Damit wird betont, dass in diesem Modus die Transaktionen, die in einem Lernprozess ablaufen von der pädagogischen Fachperson verarbeitet und daraus pädagogische Interventionen abgeleitet werden. Der Modus der Kontrolle entspricht dem kritischen EL, jener der Fürsorge dem fürsorglichen EL. Der Modus des sozialen Selbst entspricht dem angepassten Kind und das natürliche Selbst dem freien Kind. Ziel der pädagogischen Interventionen ist es dabei, dass die Heilpädagogin in erster Linie den Accounting-Modus besetzt und aus diesem Modus dann entweder den Modus der positiven Kontrolle oder der positiven Fürsorge wählt. So wird der Schüler oder die Schülerin eingeladen, ihrerseits ihr Verhalten mit dem Accounting-Modus zu kontrollieren und jeweils die positiven Aspekte der übrigen Modi anzusteuern.
– Beispiel für die Arbeit mit dem Functional-Fluency-Modell und mit der Marte-Meo-Methode –
Die Arbeit mit den Prinzipien von Marte Meo lässt sich gut anhand des „Functional-Fluency-Modells“ illustrieren. In meiner Rolle als Heilpädagogin besetze ich den Accounting-Modus und beginne den Unterricht mit positiver Fürsorge (freundliche Begrüssung, Smalltalk). Damit baue ich Kontakt auf und schaffe eine gute Atmosphäre. Durch das Benennen der Handlungen des Schülers bleibe ich in der Rolle der neutralen Beobachterin (Accounting Modus) und im nährenden Modus. Das Kind fühlt sich beachtet und gesehen. Im nächsten Schritt (Positive Kontrolle) strukturiere und leite ich das Unterrichtsgeschehen, indem ich Fragen zum Lernprozess stelle:
Was machst du? Wann machst du das? Wozu ist das gut? Bei neuen Lerninhalten können auf diese Weise auch Instruktionen gegeben werden.
Für die Schülerin Elisa mit der Diagnose einer Autismus Spektrum Störung war es auch im 6. Schuljahr noch schwierig in der Mathematik Aufgaben zur Proportionalität zu lösen. Bei der Besprechung der Hausaufgaben zum Thema „Berechnen von Preisen“ habe ich zuerst die Handlung benannt, die sie zu Hause gemacht hat. Ich sagte ihr: „Du hast hier die Zahlen aus dem Buch untereinander ins Heft geschrieben.“ Dann habe ich Elisa anhand der drei Fragen (was, wann, wozu) gebeten zu erklären, wie sie die Aufgabe gelöst hat. Sie hatte eine gute Lösung gefunden, um mit dem separaten Berechnen der Franken- und dann der Rappenbeträge die zusätzliche Schwierigkeit des Dezimalsystems zu meistern und zu einem Resultat zu gelangen. Dass sie ihr Vorgehen genau erklären konnte (Accounting Modus), war für sie sehr motivierend. Sie war in diesem Moment ganz in ihrem positiven natürlichen Selbst und benötigte keine zusätzliche Bestätigung, ausser einem freundlichen Blickkontakt und „Daumen nach oben“.
Diesen hier beschriebenen Filmausschnitt habe ich in einem Review mit der Schülerin angeschaut und besprochen. In der Regel führe ich die meisten Unterrichtsgespräche auf diese Weise, indem ich die Handlungen der Kinder benenne und W-Fragen stelle. So arbeite ich auch, wenn ich nicht filme und ein kein Review plane.
Der TEACCH Ansatz
TEACCH ist ein pädagogisch-therapeutischer Ansatz, ein umfassendes Konzept zur Förderung von Menschen mit Autismus. Das Konzept entstand als staatliches Programm zur Förderung und Begleitung von Menschen mit Autismus im Staat North Caroline in den USA. Das Programm bietet Hilfen im pädagogischen Bereich und stellt das gegenseitige Lernen und Verstehen in den Vordergrund. Es geht darum Lernsituationen zu schaffen, die der Art und Weise entgegenkommen, wie Menschen mit Autismus lernen und verstehen. Die pädagogische Arbeit wird durch die Erkenntnis geleitet, dass Menschen mit Autismus von klar strukturierten Situationen und visueller Unterstützung profitieren. Ziel der Strukturierung ist die Vermittlung von Informationen, die für die Bewältigung einer Lernsituation relevant sind. Das Kind soll sein Handeln möglichst selbständig organisieren können. Instrumente können Zeit- und Arbeitspläne, räumliche Markierungen, visuelle Hilfen und Vermittlung von Routinen sein. Anhand der Zeit- und Arbeitspläne kann die Schülerin auch in die Planung einbezogen werden. Ziele werden transparent gemacht und können abgesprochen und nach Bedarf auch der Schülerin angepasst werden. Dies ist eine konkrete und anschauliche Möglichkeit Verträge zwischen Schülerin und Heilpädagogin im Sinn der TA abzuschliessen.
TA: Vertragsarbeit
Das Fundament der Arbeit mit TA ist die Vertragsarbeit. Dies gilt auch für den pädagogischen Bereich. Das Ziel besteht darin ein Arbeitsverhältnis zwischen Schüler und Lehrperson aufzubauen, das auf Gegenseitigkeit beruht. Es soll Klarheit darüber hergestellt werden, woran gemeinsam gearbeitet wird. Dies ist wichtig, da schulisches Lernen von Schüler und Schülerinnen oft als von aussen aufgezwungen wahrgenommen wird.Die Vertragsarbeit gemäss TA kann mit Hilfe von Lernverträgen in allen schulischen Situationen angewendet werden: für kurze Unterrichtsequenzen, für einzelne Lektionen, für Lektionsreihen, für ein ganzes Schuljahr und für den Erwerb von fachlichen wie auch überfachlichen Kompetenzen.
Für eine effiziente Vertragsarbeit gilt es einige Punkte zu beachten: Ein Vertragsziel soll in positiven Worten formuliert sein und klare Handlungsanweisungen enthalten. Das Ziel soll vom Schüler aus eigener Kraft erreichbar und die Zielerreichung soll einfach zu erkennen und zu beobachten sein. Daraus ergibt sich, dass Ziele überprüft und wenn nötig durch einen neuen Vertrag auch angepasst werden können.
Ein wichtiger Aspekt der Vertragsarbeit ist die Stärkung des ER (Funktionsmodell) oder des Accountig-Modus (Functional fluency model) beim Schüler oder der Schülerin. Das Wählen, Analysieren und Prüfen von Zielen ermöglicht dem Schulkind die Erfahrung der Selbstwirksamkeit.
– Beispiel für die Arbeit mit Verträgen nach TA und dem TEACCH Ansatz –
Mit Elisa wurde der Beginn der Lektion oft auf die gleiche Art gestaltet. Die verschiedenen Arbeitsaufgaben lagen auf einem Tisch bereit und waren mit Kärtchen gekennzeichnet. Ich stellte die einzelnen Arbeiten vor und sprach mit Elisa ab, wie viele Aufgaben sie pro Lerneinheit lösen wolle, oder wie lange sie eine Aufgabe bearbeiten wolle. Zusätzlich konnte Elisa auch die Reihenfolge der Arbeitsaufgaben wählen. Nach Möglichkeit erhielt Elisa auch Vorlagen, damit sie die Aufgaben selbst korrigieren konnte. Während der Arbeitsphase hielt ich mich Hintergrund, war aber auf Anfrage für Hilfestellungen verfügbar. Am Ende der Lektion wurde besprochen, wie die Arbeit vorangegangen war und ob es noch Fragen gab. Dann wurde abgemacht, wie es weiter geht. Ob nochmals eine Aufgabe durchgearbeitet werden sollte, oder ob es in der nächsten Lektion neue Aufgaben brauchen würde.
Zusätzlich wurden die Arbeitsaufgaben auch gemäss dem TEACCH-Ansatz gestaltet:
Tablettaufgaben: Auf Tabletts wird der Arbeitsplatz strukturiert. Alle zur Lösung der Aufgabe nötigen Materialen befinden sich auf dem Tablett.
Sortierkisten: Rechnungsaufgaben werden in die Fächer mit dem passenden Resultat abgelegt. Das gleiche Prinzip kann mit Wörtern, Sätzen und Gegenständen angewendet werden.
Arbeitsmappen mit visuellen Hilfen
Die Schülerin Elisa, die während 6 Schuljahren von mir betreut wurde, erlangte im Laufe der Jahre eine grosse Selbständigkeit. Die Vertragsarbeit half ihr sich eigene Ziele zu setzen. Die Arbeitsinstrumente nach TEACCH unterstützten sie bei der Arbeitsorganisation und dem Überprüfen der Zielerreichung.
Hilf mir, es selbst zu tun!
„Hilf mir, es selbst zu tun!“ Dies war die pädagogische Leitlinie, welche die Reformpädagogin Maria Montessori (1870-1952) für die Bildung der Kinder aufstellte. Schüler und Schülerinnen sollen sich gemäss Lehrplan 21 als zunehmend handlungsfähig (selbstwirksam) erleben. Um ihre Selbstwirksamkeit aufzubauen, brauchen die Kinder in der Schule Vertrauen. Sie brauchen Vertrauen in sich selbst und Vertrauen in der Beziehung zu den Lehrpersonen und Heilpädagogen.Das positive Menschenbild, die +/+ Haltung und weitere Konzepte der TA bilden für mich eine gute Grundlage, um mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen an ihrer Selbstwirksamkeit zu arbeiten. Zusätzlich finde ich auch in der Marte Meo Methode und dem TEACCH Ansatz diese positive Grundhaltung. Das heisst, die Arbeit mit dem Kind beginnt an jener Stelle, an der seine Stärken und der eigene Antrieb liegen, von dort aus führt der Weg weiter.
Literaturverzeichnis
Hawellek, Christian (2012). Entwicklungsperspektiven öffnen. Grundlagen beobachtungsgeleiteter Beratung nach der Marte-Meo-Methode. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
Häussler, Anne (2008). Der TEACCH Ansatz zur Förderung von Menschen mit Autismus. Dortmund: modernes lernen
Into TA. A Comprehensive Textbook on Transactional Analysis (2018). Edited by Cornell, William F. et al.; London, New York: Routledge
Stewart, Ian; Joines Vann (2000). Die Transaktionsanalyse. Freiburg: Herder
Fussnoten
1. Lehrplan 21: Grundlagen / Lern- und Unterrichtsverständnis - fr.lehrplan.ch/index.php?code=e|200|2
Eva Bobst
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