artikelapril2020
Die inklusive Schule:
Verschiedensein
und dazugehören
Verschiedensein
und dazugehören
Autorin: Eva Bobst
Als schulische Heilpädagogin in einer Regelschule stellt sich mir die Aufgabe diesen amtlich anerkannten «besonderen Bedürfnissen» im Schulalltag in Zusammenarbeit mit den Regelklassen-Lehrpersonen Anerkennung zu verschaffen und zu gewährleisten, dass diese im Schulalltag berücksichtig werden.
Unter anderem beschreibt er das Konzept des Gruppenimagos: Jedes Mitglied einer Gruppe hat eine Vorstellung, ein inneres Bild der Gruppe. Diese Vorstellung entwickelt sich im Verlauf des Gruppenprozesses. Das Bild der Gruppe, die Gruppenimago, verläuft in 4 Phasen und wird von Phase zu Phase differenzierter und realistischer. Der Lernprozess eines einzelnen Gruppenmitglieds wird von der Entwicklung seiner Gruppenimago am stärksten bestimmt. (Berne S. 145)
Clarkson hat die Gruppenphasen und durch eine 5. Phase ergänzt. (Clarkson S. 300ff)
Die provisorische Gruppenimago wird sehr kurz gestaltet, Begrüssungsrituale, Fragen nach der Befindlichkeit, Small Talk, kurzer Kontakt zwischen der Lehrperson und jedem einzelnen Schüler.
In der Phase der angepassten Gruppenimago geht es um organisatorische Fragen, die in der ganzen Gruppe erörtert und von der Lehrperson entschieden werden, wie etwa offene Fragen zu vorherigen Lektionen, Rückmeldungen zu Hausaufgaben, Sitzordnung, Gruppenzusammensetzungen.
In der Phase der operativen Gruppenimago schafft die Lehrperson die Voraussetzungen für die Arbeit der Schüler während der Lektion. Sie gibt die Lernziele bekannt, stellt das Material zur Verfügung, gibt Anweisungen zum Vorgehen und zum Verhalten.
Bei der sekundär angepassten Gruppenimago der Schülerinnen und Schüler tritt die Lehrperson in den Hintergrund, die Schüler sind nun alleine oder in Gruppen an der Arbeit und helfen sich gegenseitig. Die Lehrperson beobachtet, lobt und hilft bei Bedarf. An dieser Stelle ist von Bedeutung, dass die Schülerinnen oft nicht gleichzeitig die gleiche Phase ihrer Gruppenimago erreichen. Einige sind noch mit ihrer angepassten oder operativen Gruppenimago beschäftigt, während die anderen Schüler an der Arbeit sind. Auf diese «Nachzügler» gehe ich als Lehrerin ein und unterstütze sie, damit sie sich in die gemeinsame Arbeit integrieren können.
In der Phase der geklärten Gruppenimago wird die Lektion dann abgeschlossen. Die Schülerinnen fassen ihre Arbeitsergebnisse zusammen. Die Lehrperson verabschiedet sich und macht je nach Situation eine Bemerkung zum weiteren Verlauf des Schultages oder gibt einen guten Wunsch auf den Weg mit.
Vielfalt in der Pädagogik
Du darfst dich selbst sein und du darfst dazugehören: Dieses Erlaubnispaar aus der TA tut jedem Schulkind gut. Darum stelle ich es an den Anfang meiner Gedanken zur Vielfalt in der Pädagogik. Eine inklusive Schule schliesst alle ein und geht davon aus, dass jeder Schüler einmal mehr und einmal weniger besondere Bedürfnisse hat und sich von den anderen unterscheidet. Die inklusive Schule ist über weite Strecken immer noch eine Vision. Eine Vision, von der ich mich jeden Tag wieder aufs Neue herausfordern lasse und mit mir auch viele engagierte Lehrerinnen und Pädagogen. In der TA finde ich wertvolle Anregungen, um diese Herausforderung anzunehmen und Veränderungen für eine gelebte Vielfalt im Schulalltag anzupacken. «Erforderlich wäre ein Schulsystem, das in allen seinen Gliederungen, auf allen Stufen und in jeder pädagogischen Hinsicht in ausreichendem Masse für den Besuch sämtlicher Schulkinder ausgestattet ist.» (Speck S. 252)
Besondere Bedürfnisse
Mein Berufsauftrag besteht darin Schüler mit besonderen Bedürfnissen in der Regelschule zu unterrichten und zu fördern. Diese besonderen Bedürfnisse können sich ergeben aus Fähigkeiten, die nicht der Altersnorm entsprechen in Bezug auf Kognition, Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung, Verhaltenssteuerung und physischen Voraussetzungen. Die Abweichungen von der Norm werden von Fachpersonen wie Kinderneurologen, Kinderpsychiatern und Schulpsychologen diagnostiziert. Diese Diagnosen ergeben für die betroffenen Kinder das Anrecht auf eine heilpädagogische Unterstützung. Bei ihren Diagnosen stützen sich die Fachärzte und Fachpersonen auf zwei internationale Klassifikationssysteme, das ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten) und das ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit). Beide Klassifikationssysteme werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben.Als schulische Heilpädagogin in einer Regelschule stellt sich mir die Aufgabe diesen amtlich anerkannten «besonderen Bedürfnissen» im Schulalltag in Zusammenarbeit mit den Regelklassen-Lehrpersonen Anerkennung zu verschaffen und zu gewährleisten, dass diese im Schulalltag berücksichtig werden.
Durchschnitt als Norm
Die Regelklassenlehrpersonen stehen in der Schultradition der Jahrgangsklassen. In dieser Tradition wird davon ausgegangen, dass die Schülerinnen und Schüler des gleichen Jahrgangs grundsätzlich in ihrer Entwicklung weitgehend auf dem gleichen Stand sind und folglich auch weitgehend die gleichen Lernvoraussetzungen mitbringen und die gleichen Bedürfnisse haben. Als Konsequenz davon wird meist abgeleitet, dass alle Schüler einer Klasse denselben Stoff in derselben Form, zur selben Zeit, im gleichen Zeitraum bearbeiten und beherrschen sollen. In dieser Tradition bietet der Lehrplan 21 insofern eine gewisses Lockerung, als er sich auch an Kompetenzen und nicht nur an Inhalten orientiert, welche die Schüler erreichen sollen. Im Weiteren werden neu auch Grundanforderungen und erweiterte Anforderungen als auch fachliche und überfachliche Kompetenzen als Ziele definiert. Erhalten bleibt auch im Lehrplan 21 die summative Leistungsmessung (ab der 3. Klasse mit Noten), welche die Schüler belohnt, die Leistungen zeigen können, die der Altersnorm entsprechen oder diese übertreffen.
Heterogenität als Herausforderung
Mein Arbeitsauftrag besteht darin die Lernumgebung für die Schüler mit «anerkannten» besonderen Bedürfnissen anzupassen und auch die Lehrpersonen zu unterstützen, welche die Vielfalt und die besonderen Bedürfnisse ihrer Regelklassenschüler wahrnehmen und bestmöglich darauf eingehen. Heterogenität in der Regelklasse als Chance und nicht als Problem wahrzunehmen bedeutet eine Herausforderung und setzt ein Umdenken gegen über den schulischen Traditionen voraus. So gilt es dem «Diversity-Management-Ansatz» auch in der Schule zum Durchbruch zu verhelfen (siehe Müller, S. 54). «Auch die Schule bildet sich aus einer ‘vielfältig zusammengesetzten Belegschaft’. Die Sozialisierungshintergründe von Kindern und Jugendlichen weichen zunehmend voneinander ab. Lernarrangements, die eine individuelle Kompetenzentwicklung in sozialen Kontexten zum Ziel haben, müssen folglich eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten innerhalb und ausserhalb der Schule fördern. Das heisst: Lernarrangements dienen der Organisation von Komplexität. Es geht darum für heterogene Gruppen von Lernenden adäquate Settings zu gestalten, in denen zielführendes und selbstwirksames Lernen sich entwickeln kann.» (Müller, S. 55)
Grundlagen der Gruppenbehandlung nach Berne
In seinem Standardwerk «Grundlagen der Gruppenbehandlung» beschreibt Berne die professionelle Arbeit mit Gruppen. Berne entwickelte seine Praxis und seine Theorien zur Gruppen-«Behandlung» als Arzt und Psychotherapeut in unterschiedlichen Settings.Unter anderem beschreibt er das Konzept des Gruppenimagos: Jedes Mitglied einer Gruppe hat eine Vorstellung, ein inneres Bild der Gruppe. Diese Vorstellung entwickelt sich im Verlauf des Gruppenprozesses. Das Bild der Gruppe, die Gruppenimago, verläuft in 4 Phasen und wird von Phase zu Phase differenzierter und realistischer. Der Lernprozess eines einzelnen Gruppenmitglieds wird von der Entwicklung seiner Gruppenimago am stärksten bestimmt. (Berne S. 145)
Professionelle Arbeit mit Schülergruppen gemäss den Phasen der Gruppenentwicklung
Die Phasen der Gruppenentwicklung nach Berne zeigen anschaulich, welche Merkmale ein Setting für zielführendes und selbstwirksames Lernen gemäss TA-Konzepten aufweisen kann.Clarkson hat die Gruppenphasen und durch eine 5. Phase ergänzt. (Clarkson S. 300ff)
Provisorische Gruppenimago
Das innere Bild besteht aus einem unklaren Muster, indem zunächst nur der Leiter und die eigene Position deutlich sind. Es bestehen Erwartungen an die Gruppe, die auf Vorerfahrungen in der eigenen Familie oder auf früheren Erfahrungen in anderen Gruppen beruhen.Angepasste Gruppenimago
Die Gruppenmitglieder beginnen auch andere Gruppenmitglieder wahrzunehmen und einzuschätzen. Die Gruppenleitung wird herausgefordert.Operative Gruppenimago
Das eigene Bild der anderen Gruppenteilnehmer wird weiter ausdifferenziert. Es entsteht ein Gruppenzusammenhalt. Familienkonstellationen werden wiederholt.Sekundär angepasste Gruppenimago
Der Gruppenzusammenhalt wirkt stärker als die persönlichen Einstellungen. Die Gruppe ist arbeitsfähig.Geklärte Gruppenimago
Das anfänglich provisorische Bild der Gruppe hat sich gewandelt und bezieht sich jetzt auf die gegenwärtige, reale Gruppe. Damit beim Abschied die starke Kohäsion der Gruppe aufgelöst werden kann, wird die emotionale Energie innerhalb der Gruppe reduziert.
Gruppenphasen im Verlauf eines Schuljahres
In den ersten Wochen eines Schuljahres ist es mir als Lehrperson wichtig, die ersten drei Phasen der Gruppenimago gut im Auge zu behalten. Der Schwerpunkt liegt auf der Beziehungsebene und der Organisation der Abläufe. Die Vielfalt der Schüler ist gerade in dieser Phase häufig noch sehr ausgeprägt wahrnehmbar. Auf den Inhalt wird noch weniger Gewicht gelegt, oft wird auch Stoff nur wiederholt. Dies ist die Voraussetzung, dass dann im weiteren Verlauf des Schuljahrs eine gute Arbeitsatmosphäre herrscht und möglichst viele Schülerinnen der Klasse den Schritt zur sekundär angepassten Gruppenimago vollziehen können. In Bezug auf die Diversität bedeutet dies auch, dass die Schüler mit ihren unterschiedlichen Hintergründen und persönlichen Bedürfnissen alle ihre Position gefunden haben. In den letzten Schulwochen wird das Arbeitstempo reduziert, die Geselligkeit in der Klasse mit Ausflügen und gemeinsamem Spiel gepflegt, es wird aufgeräumt und Abschied genommen. Dies entspricht der geklärten Gruppenimago.
Gruppenphasen im Verlauf eines Schultages oder einer Lektion
Die Gruppenphasen lassen sich auch täglich in kleineren Unterrichtseinheiten beobachten. Diese können je nach der Organisation des Schulbetriebs einen ganzen Tag, mehrere Lektionen oder auch nur eine Lektion umfassen. Im Folgenden wird ausgeführt, wie die Phasen der jeweiligen Gruppenimago in einer Doppellektion von neunzig Minuten ablaufen können.Die provisorische Gruppenimago wird sehr kurz gestaltet, Begrüssungsrituale, Fragen nach der Befindlichkeit, Small Talk, kurzer Kontakt zwischen der Lehrperson und jedem einzelnen Schüler.
In der Phase der angepassten Gruppenimago geht es um organisatorische Fragen, die in der ganzen Gruppe erörtert und von der Lehrperson entschieden werden, wie etwa offene Fragen zu vorherigen Lektionen, Rückmeldungen zu Hausaufgaben, Sitzordnung, Gruppenzusammensetzungen.
In der Phase der operativen Gruppenimago schafft die Lehrperson die Voraussetzungen für die Arbeit der Schüler während der Lektion. Sie gibt die Lernziele bekannt, stellt das Material zur Verfügung, gibt Anweisungen zum Vorgehen und zum Verhalten.
Bei der sekundär angepassten Gruppenimago der Schülerinnen und Schüler tritt die Lehrperson in den Hintergrund, die Schüler sind nun alleine oder in Gruppen an der Arbeit und helfen sich gegenseitig. Die Lehrperson beobachtet, lobt und hilft bei Bedarf. An dieser Stelle ist von Bedeutung, dass die Schülerinnen oft nicht gleichzeitig die gleiche Phase ihrer Gruppenimago erreichen. Einige sind noch mit ihrer angepassten oder operativen Gruppenimago beschäftigt, während die anderen Schüler an der Arbeit sind. Auf diese «Nachzügler» gehe ich als Lehrerin ein und unterstütze sie, damit sie sich in die gemeinsame Arbeit integrieren können.
In der Phase der geklärten Gruppenimago wird die Lektion dann abgeschlossen. Die Schülerinnen fassen ihre Arbeitsergebnisse zusammen. Die Lehrperson verabschiedet sich und macht je nach Situation eine Bemerkung zum weiteren Verlauf des Schultages oder gibt einen guten Wunsch auf den Weg mit.
Übersicht zu den Phasen der Gruppenimago
Phase | Merkmale der Phase | Aufgabe der Leitung |
Umsetzung in der Schule |
Provisorische Gruppenimago |
*Rituale
|
Definition der äusseren und inneren Grenzen
Vorgabe der Zeitstruktur
Allgemeine Infos
|
Positiv unbedingte *Strokes durch die Lehrperson für alle Schüler
|
Angepasste Gruppenimago |
*Zeitvertrieb
«Vorgeplänkel»
Agitation gegen Gruppenleitung
*ok-ok auf dem Prüfstein
|
Rückmeldung der Gruppe ernst nehmen
verhandeln
Position *ok-ok
halten |
auf die Schüler eingehen
Lehrer zeigt sich als streng aber gerecht
|
Operative Gruppenimago |
*Psychologische Spiele
Gruppenzusammenhalt
wird aufgebautWiederholung von Familiendramen
gewinnen von Einsicht
gegenseitige Unterstützung
|
Modell für Verhalten
Infos geben
Ressourcen bereitstellen
eigene Werte klar benennen
|
Lehrer sagt, wie er «es» haben will in Bezug auf fachliche und überfachliche Kompetenzen
Modell für die Forderungen, die er an die Schüler stellt
|
Sekundär angepasste Gruppenimago |
effektive Aufgaben und Problemlösung
Eigenverantwortung
*Intimität häufig möglich
|
Freude an Arbeit zeigen
Führung teilweise abgeben
Verantwortung bleibt
Lob und positiv bedingte *Strokes anbieten
Mindestmass an Schutz
|
Leistung und Verhalten der Schüler benennen
nach Bedarf Unterstützung anbieten
Möglichkeiten zur Selbsteinschätzung und Selbstkorrektur geben
|
Geklärte Gruppenimago |
Bedürfnisse auf Hier-und-jetzt ausgerichtet
Rückzug, loslassen der Gruppe
|
Arbeit abschliessen
Abschiedsritual
Pünktlicher Abschluss
|
Möglichst ruhiger, entspannter Abschluss einer Lektion oder eines Schultages
|
*Erklärung von TA Begriffen in der Tabelle
Rituale: Interaktionen, bei denen die Beteiligten wissen, wie sie ablaufen, z.B. Begrüssung.
Zeitvertrieb: Unverbindliche Unterhaltung.
ok-ok Haltung: Grundhaltung, die in der TA angestrebt wird, ich bin ok und du bist ok (+ +).
Psychologische Spiele: Die Kommunikation wird von verborgenen Motiven beherrscht, sie verläuft nicht konstruktiv.
Intimität: Offene, echte zwischenmenschliche Begegnung, ohne psychologische Spiele.
Strokes: Zuwendung, die in verschiedener Qualität (positiv bedingt und unbedingt / negativ bedingt und unbedingt) und Intensität gegeben werden kann.
In den Phasen der Gruppenentwicklung wird ersichtlich, wie es gelingen kann eine Balance herzustellen zwischen empathischem Verstehen und überzeugender Führung durch Lehrpersonen, wie sie Joachim Bauer beschreibt: «Dies bedeutet, dass die Lehrkraft nicht nur in sich Resonanz auf ihre Klasse zulässt (empathisches Verstehen), sondern umgekehrt ihrerseits so auftritt, dass sie in ihren Schülerinnen und Schülern Resonanz auslöst (Ausübung von Führung). Entscheidend für Letzteres ist ein hohes Mass an körperlicher und geistiger Präsenz. Diese entsteht dadurch, dass die Lehrkraft mit sich, so wie sie ist, in hohem Masse identisch ist, also zu sich und ihren Überzeugungen steht, eine freundlich-zugewandte, aber klare Haltung hat, dass sie selbst Freude am zu vermittelnden Stoff hat und einen didaktischen Plan, wie sie diesen den jungen Menschen nahebringen will.» (Bauer, S. 113 -114)
Sowohl in der Arbeit mit einer Schulklasse als auch im Kleingruppen- und Einzelunterricht achte ich auf eine angemessene Strukturierung. Das heisst, ich plane und ermögliche bewusst neben der hauptsächlich erwünschten Aktivität, nämlich der aktiven Arbeit am Lernstoff, auch Rückzugsmöglichkeiten in Form von Einzelarbeit oder Erholung, Rituale in Form von sich wiederholenden Lernformen oder Stundeneinstiegen. Ich nehme auch das Bedürfnis nach Zeitvertreib (das Spitzen von schon gespitzten Bleistiften, das rauf- und runterkurbeln von Pulten, wiederholtes Bitten um den Gang zur Toilette…..) wahr und kann dafür die Erlaubnis erteilen oder auch verweigern. Einladungen zu psychologischen Spielen der Schülerinnen verstehe ich auch als ein Bedürfnis nach Struktur.
Die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogisch anerkannten besonderen Bedürfnissen haben letztlich die gleichen Bedürfnisse wie Regelklassenschüler. Sie unterscheiden sich allenfalls darin, welche existentielle Bedeutung die Erfüllung der Grundbedürfnisse in der Schule für sie, im Gegensatz zu den Regelklassenschüler, darstellt. Für den an Landwirtschaft interessierten Schüler *Max mit der Diagnose einer Lese- und Rechtschreibschwäche und einer Dyspraxie ist die Ruhepause mit Blick auf den Bauernhof eine unerlässliche Möglichkeit sich vom anstrengenden handschriftlichen Verfassen eines Textes zu erholen. Für die Schülerin *Susanne mit einer Rechenschwäche ist es wichtig, dass sie positiv bedingte Strokes bekommt, indem sie Bestätigung erhält und gelobt wird, weil die lange geübte 3er-Reihe jetzt sitzt, und sie diese bei Sachaufgaben anwenden kann. Das Bedürfnis nach Stimulierung kann mit einer abwechslungsreichen Didaktik und Methodik erfüllt werden. Durch das reale Hantieren mit Geld findet *Jasmin mit der Diagnose Asperger Autismus den Zugang zur Mathematik. (*alle Namen geändert)
Gute Didaktik und Methodik bieten leistungsstarken, wie auch leistungsschwächeren Schülern wichtige Lernvoraussetzungen. Beim Schweizer Entwicklungspsychologen und Didaktiker Hans Aebli habe ich folgende Aussage gefunden, die mich eine Verbindung herstellen lässt zum *TA-Konzept der Ich-Zustände: «Das Kind zum Aufbau der Strukturen seines Handelns, Denkens und Erlebens anleiten heisst, auf seinen aktiven Beitrag in diesem Vorgang zählen, mehr als das: wissen, dass Anleitung immer die spontane Bereitschaft zur Tätigkeit im angeleiteten Kind voraussetzt. In dieser Bereitschaft zur Tätigkeit ist auch eine Bereitschaft, diese zu strukturieren, ihr eine gute Ordnung zu geben, mit beschlossen. Aber das Kind und der Jugendliche vermögen diese Ordnung nur in seltenen Fällen selbstständig zu finden. Die innere Ordnung des Menschen ist eine zarte Pflanze. Ihre Heranbildung bedarf über Jahre der Unterstützung, bis sie schliesslich zur *Autonomie erwächst.» (Aebli, S. 393)
Das wunderbare Bild der zarten Pflanze möchte ich zum Abschluss aufnehmen. In jedem Schulkind wartet eine zarte Pflanze auf Hege und Pflege. Diese Pflanzen ergeben zusammen eine vielfältige und bunte Blumenwiese. Meine Vision einer Schulklasse in einer inklusiven Schule.
*Erklärung von TA Begriffen:
Die Grundbedürfnisse der einzelnen Schüler
Das TA Konzept der *Grundbedürfnisse kann sich hilfreich erweisen, um auf den einzelnen Schüler einzugehen und seine individuellen Bedürfnisse wahrzunehmen. Die Grundbedürfnisse nach Struktur, Stimulierung und Anerkennung gelten für alle Schülerinnen und Schüler gleichermassen.Sowohl in der Arbeit mit einer Schulklasse als auch im Kleingruppen- und Einzelunterricht achte ich auf eine angemessene Strukturierung. Das heisst, ich plane und ermögliche bewusst neben der hauptsächlich erwünschten Aktivität, nämlich der aktiven Arbeit am Lernstoff, auch Rückzugsmöglichkeiten in Form von Einzelarbeit oder Erholung, Rituale in Form von sich wiederholenden Lernformen oder Stundeneinstiegen. Ich nehme auch das Bedürfnis nach Zeitvertreib (das Spitzen von schon gespitzten Bleistiften, das rauf- und runterkurbeln von Pulten, wiederholtes Bitten um den Gang zur Toilette…..) wahr und kann dafür die Erlaubnis erteilen oder auch verweigern. Einladungen zu psychologischen Spielen der Schülerinnen verstehe ich auch als ein Bedürfnis nach Struktur.
Die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogisch anerkannten besonderen Bedürfnissen haben letztlich die gleichen Bedürfnisse wie Regelklassenschüler. Sie unterscheiden sich allenfalls darin, welche existentielle Bedeutung die Erfüllung der Grundbedürfnisse in der Schule für sie, im Gegensatz zu den Regelklassenschüler, darstellt. Für den an Landwirtschaft interessierten Schüler *Max mit der Diagnose einer Lese- und Rechtschreibschwäche und einer Dyspraxie ist die Ruhepause mit Blick auf den Bauernhof eine unerlässliche Möglichkeit sich vom anstrengenden handschriftlichen Verfassen eines Textes zu erholen. Für die Schülerin *Susanne mit einer Rechenschwäche ist es wichtig, dass sie positiv bedingte Strokes bekommt, indem sie Bestätigung erhält und gelobt wird, weil die lange geübte 3er-Reihe jetzt sitzt, und sie diese bei Sachaufgaben anwenden kann. Das Bedürfnis nach Stimulierung kann mit einer abwechslungsreichen Didaktik und Methodik erfüllt werden. Durch das reale Hantieren mit Geld findet *Jasmin mit der Diagnose Asperger Autismus den Zugang zur Mathematik. (*alle Namen geändert)
Gute Didaktik und Methodik bieten leistungsstarken, wie auch leistungsschwächeren Schülern wichtige Lernvoraussetzungen. Beim Schweizer Entwicklungspsychologen und Didaktiker Hans Aebli habe ich folgende Aussage gefunden, die mich eine Verbindung herstellen lässt zum *TA-Konzept der Ich-Zustände: «Das Kind zum Aufbau der Strukturen seines Handelns, Denkens und Erlebens anleiten heisst, auf seinen aktiven Beitrag in diesem Vorgang zählen, mehr als das: wissen, dass Anleitung immer die spontane Bereitschaft zur Tätigkeit im angeleiteten Kind voraussetzt. In dieser Bereitschaft zur Tätigkeit ist auch eine Bereitschaft, diese zu strukturieren, ihr eine gute Ordnung zu geben, mit beschlossen. Aber das Kind und der Jugendliche vermögen diese Ordnung nur in seltenen Fällen selbstständig zu finden. Die innere Ordnung des Menschen ist eine zarte Pflanze. Ihre Heranbildung bedarf über Jahre der Unterstützung, bis sie schliesslich zur *Autonomie erwächst.» (Aebli, S. 393)
Das wunderbare Bild der zarten Pflanze möchte ich zum Abschluss aufnehmen. In jedem Schulkind wartet eine zarte Pflanze auf Hege und Pflege. Diese Pflanzen ergeben zusammen eine vielfältige und bunte Blumenwiese. Meine Vision einer Schulklasse in einer inklusiven Schule.
*Erklärung von TA Begriffen:
Grundbedürfnisse: Psychologische Grundbedürfnisse, die von vitaler Bedeutung sind: a) Stimulierung in Form von sinnlicher Anregung; b) Struktur in Form von Zeitgestaltung; c) Zuwendung und Anerkennung (Strokes)
Ich-Zustände : In jedem Menschen sind drei Ich-Zustände vorhanden (Eltern-Ich / Erwachsenen-Ich / Kind-Ich). Jeder dieser Ich-Zustände umfasst das Denken, Fühlen und Verhalten und kann je nach Situation aktiviert werden.
Autonomie: Unabhängigkeit und Selbstständigkeit in Urteil und Entscheidung. Bewusstheit in der Wahrnehmung, Spontanität im Verhalten und Intimität im Sinn von ehrlicher zwischenmenschlicher Begegnung.
Literatur:
Aebli, Hans: Zwölf Grundformen des Lehrens. Stuttgart (Klett-Cotta) 2003
Bauer, Joachim: Wie wir werden, wer wir sind. München (Blessing) 2019
Berne, Eric: Grundlagen der Gruppenbehandlung. Paderborn (Junfermann) 2005
Eyer, Hanna: Kursunterlagen zu «Gruppenphasen nach Berne (aus Clarkson)» Gossau 2016
Müller, Andreas: Mehr ausbrüten, weniger gackern. Bern (hep) 2008
Speck, Otto: System Heilpädagogik. München (Reinhardt) 2003
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